Noch immer zu wenig Zeit am Krankenbett

  • a -- Wenger N, Méan M, Castioni J et al. Allocation of internal medicine resident time in a Swiss hospital: a time and motion study of day and evening shifts. Ann Intern Med 2017 (18. April); 166: 579-86 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 13. Juni 2017
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Die Komplexität der Fälle auf internistischen Spitalabteilungen – und damit die zu beurteilende Menge von Daten – nimmt dauernd zu. Im Gegensatz zu früher ist heute die Arbeitszeit von Assistenzärztinnen und -ärzten gesetzlich geregelt. Obwohl die elektronische Krankengeschichte dabei helfen sollte, die zunehmenden administrativen Aufgaben in einer vernünftigen Zeit zu erledigen, haben mehrere kleinere Studien gezeigt, dass trotzdem wenig Zeit für den direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten bleibt. Dies kann zu Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation, ungenügender Kommunikation mit den betreuten Kranken, sowie zu nicht optimalen Verordnungen und Behandlungen führen. An der medizinischen Klinik des «Centre Hospitalier Universitaire Vaudois» (CHUV) in Lausanne wurde deshalb von Mai bis Juli 2015 eine Erhebung zur Nutzung der Arbeitszeit durchgeführt. 36 Assistenzärztinnen und -ärzte wurden während 66 Arbeitstagen (49 Tages-, 17 Abendschichten) knapp 700 Stunden von ausgebildeten Beobachtungspersonen begleitet, welche die Dauer der verschiedenen Arbeitsaktivitäten in verschiedenen Kategorien festhielten.

Für die Tagesschichten betrug die mittlere tägliche Arbeitszeit 11,6 Stunden, also 1,6 Stunden mehr als gesetzlich vorgeschrieben. Während lediglich 28% der Zeit für die eigentliche Krankenbetreuung (hauptsächlich tägliche Visite und Aufnahmen) aufgewendet wurde, so wurde 52% der Zeit für Aufgaben benötigt, die nur in indirektem Zusammenhang damit standen (beispielsweise Verfassen von Berichten, Übergaben oder Informationsbeschaffung). Pro Tag wurden durchschnittlich 5,2 Stunden am Computer und 1,7 Stunden am Krankenbett verbracht. Die Zeit, die pro Tag im direkten Kontakt mit jedem einzelnen Kranken aufgewendet wurde, betrug rund 15 Minuten.

Dank der direkten Beobachtung und genauen Dokumentation sind die Resultate der vorliegenden Studie eindeutig und dienen als gute Vergleichsgrundlage, um beispielsweise die Situation nach allfälligen Anpassungen der Arbeitsabläufe zu überprüfen. Die Studienverantwortlichen merken an, dass gemäss amerikanischen Studien aus den Jahren 1961 und 1971 der Anteil der Zeit, der im direkten Kontakt mit den Kranken verbracht wurde, damals zwar nicht höher war, dass heute aber angesichts der komplexen Krankheitsbilder und dem höheren Informationsbedürfnis der Betroffenen mehr Zeit dafür notwendig wäre. Mit Verbesserungen der elektronischen Krankengeschichte und durch den Einsatz von Personal, welches einen Teil der administrativen Arbeiten übernehmen kann, sollte versucht werden, mehr Zeit für diese ärztliche Kernaufgabe zu schaffen.

Zusammengefasst und kommentiert von Peter Koller

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infomed-screen 21 -- No. 3
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Noch immer zu wenig Zeit am Krankenbett ( 2017)