Verkürzte Therapiedauer bei Otitis media weniger wirksam

  • r -- Hobermann A, Paradise JL, Rockette HE et al. Shortened antimicrobial treatment for acute otitis media in young children. N Engl J Med 2016 (22. Dezember); 375: 2446-56 [Link]
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  • Kommentar: David Nadal
  • infomed screen Jahrgang 21 (2017) , Nummer 2
    Publikationsdatum: 4. April 2017
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Studienziele

Sofern eine akute Mittelohrentzündung bei Kindern den Einsatz von Antibiotika notwendig macht, wird meist sieben bis zehn Tage behandelt. Eine kürzere Therapiedauer könnte die Entwicklung von resistenten Keimen verhindern, ihre Wirksamkeit ist aber kaum dokumentiert. Anhand der vorliegenden Studie aus den USA sollte bei Kindern unter zwei Jahren, bei denen besonders häufig Therapieversagen vorkommen, untersucht werden, wie sich eine verkürzte Therapiedauer auf den Krankheitsverlauf auswirkt.

Methoden

Zwischen Januar 2012 und September 2015 wurden 520 gegen Pneumokokken geimpfte Kinder mit einer Mittelohrentzündung im Alter von 6 bis 24 Monaten in die Studie einbezogen. Der Symptombeginn durfte nicht länger als 48 Stunden zurückliegen und bei der Otoskopie mussten typische Befunde vorliegen. Nach dem Zufall erhielten die Kinder Co-Amoxicillin (Augmentin® u.a.) in gewichtsadaptierter Dosierung über 10 Tage oder eine verkürzte Therapie über 5 Tage, gefolgt von 5 Tagen Placebo. In erster Linie interessierte die Anzahl Therapieversagen. Ebenfalls untersucht wurde der Symptomverlauf, der von den Eltern anhand eines für Otitis media spezifischen Symptom-Scores (0-14 Punkte; höhere Punktzahl entspricht stärkeren Symptomen) dokumentiert wurde. Des Weiteren interessierte die Rezidivrate und das Auftreten von penicillinresistenten Keimen.

Ergebnisse

Bei einer verkürzten Therapiedauer war die Gefahr eines Therapieversagens höher als bei einer Standardtherapie normaler Dauer (34% gegenüber 16%); damit erwies sich die Kurztherapie einer Standardtherapie als unterlegen. Auch die Krankheitssymptome waren bei einer normalen Therapiedauer insgesamt etwas geringer; so betrug der gemittelte Symptom-Score über die Tage 6 bis 14 bei einer Kurztherapie 1,6 und bei einer Standardtherapie 1,3. Kein Unterschied hingegen bestand in Bezug auf Rezidive, Resistenzentwicklung und unerwünschte Wirkungen.

Schlussfolgerungen

Bei Kindern unter zwei Jahren mit einer akuten Mittelohrentzündung führt eine verkürzte Antibiotikatherapie von 5 Tagen zu mehr Therapieversagen und zu leicht stärkeren Symptomen als die gängige Therapie von 10 Tagen. Rezidive und unerwünschte Wirkungen traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.

Zusammengefasst von Bettina Wortmann

Die Resultate der Studie bekräftigen die Empfehlung der «Pädiatrischen Infektiologiegruppe Schweiz» (PIGS), Kinder unter zwei Jahren mit akuter Otitis media für 10 Tage mit Antibiotika zu behandeln (www.pigs.ch). Zur Verminderung des Antibiotika-Gebrauchs empfehlen PIGS und die «American Academy of Pediatrics» (AAP) im Gegensatz zur Studie, in den ersten 24 Stunden nur Analgetika zu verordnen und anschliessend das Kind nochmals zu beurteilen. Ausnahmen sind Kinder mit stark reduziertem Allgemeinzustand, eitriger Otorrhoe, bei beidseitiger Otitis, wenn das einzige hörende Ohr betroffen ist, bei Fehlbildungen, Immunschwäche oder wiederholten Otitiden. Zudem empfehlen PIGS und AAP primär Amoxicillin und nicht Co-Amoxicillin. Letzteres ist bei Pneumokokken, welche 61% der bakteriellen Otitiden verursachen, nicht wirksamer, aber begünstigt die Selektion resistenter Bakterien stärker. Bei Nichtansprechen auf Analgetika und Amoxicillin hingegen ist Co-Amoxicillin indiziert.

David Nadal

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Verkürzte Therapiedauer bei Otitis media weniger wirksam ( 2017)