Kreuzband-Ruptur nicht sofort operieren
- r -- Frobell RB, Roos EM, Roos HP et al. A randomized trial of treatment for acute anterior cruciate ligament tears. N Engl J Med 2010 (22. Juli); 363: 331-42 [Link]
- Zusammenfassung: Thomas Weissenbach
- Kommentar: Luzi Dubs
- infomed screen Jahrgang 14 (2010)
, Nummer 6
Publikationsdatum: 3. Dezember 2010 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Die chirurgische Rekonstruktion eines gerissenen vorderen Kreuzbandes (VKB) wird – zusammen mit physiotherapeutischen Rehabilitationsmassnahmen – als entscheidend für die Wiederherstellung der Kniestabilität betrachtet. Allerdings fehlten bislang gesicherte Daten, welche diese Annahme untermauern. In dieser schwedischen Studie wurde untersucht, ob die frühzeitige, durch Rehabilitationsmassnahmen unterstützte Rekonstruktion eines gerissenen VKB bessere Ergebnisse ergibt, als wenn die Operation verzögert und nur bei persistierenden Zeichen einer Instabilität durchgeführt wird.
Methoden
Es wurden 121 Personen mit einer akuten Ruptur des VKB und einem Durchschnittsalter von 26 Jahren untersucht. Die meisten waren männlich und sportlich aktiv, der durchschnittliche Körper-Massen-Index betrug 24. Nach dem Zufall wurden sie entweder früh (d.h. in den ersten 10 Wochen nach dem Unfall) oder verzögert und nur bei persistierenden Instabilitätsbeschwerden operiert. Alle Beteiligten wurden einem intensiven, strukturierten physiotherapeutischen Rehabilitationsprogramm unterzogen. Als primärer Endpunkt diente die Differenz zum Ausgangswert nach 24 Monaten bei 4 von 5 Subskalen des «Knee Injury and Osteoarthritis Outcome Score» (KOOS; 0-100). Als sekundäre Endpunkte wurden alle 5 Subskalen des KOOS sowie zwei weitere Funktionsscores (SF-36/TAS) verwendet.
Ergebnisse
Von den 62 Personen, welche für eine frühzeitige Operation vorgesehen gewesen wären, wurde eine nicht operiert. 23 der 59 Personen mit Option auf Spätoperation liessen sich schliesslich operieren, 36 entschieden sich für Rehabilitationsmassnahmen allein. Hinsichtlich des primären Endpunktes unterschieden sich die beiden Behandlungsgruppen nur um 0,2 Punkte (39,2 gegenüber 39,4 Punkte; 95% Vertrauensintervall –6,5 - +6,8). Auch in Bezug auf die sekundären Endpunkte ergaben sich keine signifikanten Unterschiede.
Schlussfolgerungen
Bei jungen, aktiven Personen mit einer akuten Ruptur des vorderen Kreuzbandes ist die frühzeitige Bandrekonstruktion, wenn gleichzeitig ein geeignetes Rehabilitationstraining durchgeführt wird, einer verzögerten, optionalen Operation bezüglich Kniestabilität 2 Jahren nach Unfall nicht überlegen. Dank letzterem Vorgehen kann die Häufigkeit von chirurgischen Bandrekonstruktionen deutlich reduziert werden.
Zusammengefasst von Thomas Weissenbach
In dieser Studie werden lediglich zwei Behandlungspfade nach VKB-Ruptur verglichen. Somit müssen zwei Fragestellungen separiert werden:
Erstens: Ist die Frühoperation der bedarfsgerechten Spätoperation überlegen? Die Studienverantwortlichen finden identische Resultate nach 2 Jahren. Dadurch lassen sich zwei Drittel der Eingriffe vermeiden, wenn man die Option auf eine Spätoperation erhält. Ein Lob den Studienverantwortlichen!
Zweitens: Ist die Operation besser als das konservative Vorgehen? Diese Frage kann mit der Studie prima vista nicht beantwortet werden, da die konservativ «überlebende» Gruppe einer positiven Selektion entsprechen dürfte. Die Angaben zur erreichten Punktzahl auf der «Tegner Activity Scale» (TAS) zur Sportfähigkeit bestätigen jedoch die Erfahrung, dass die (Früh-)Operierten von ursprünglich 8 (Wettkampfsport) nur noch auf 6,5 Punkte (Freizeitsport) kommen, was man von einem konservativen Vorgehen auch erwarten darf.
Luzi Dubs
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