Gabapentin bei Neuropathien

  • r -- Rowbotham M, Harden N, Stacey B et al. Gabapentin for the treatment of postherpetic neuralgia: a randomized controlled trial. JAMA 1998 (2. Dezember); 280: 1837-42 [Link]
  • Kommentar: Christian W. Hess
  • infomed screen Jahrgang 3 (1999) , Nummer 3
    Publikationsdatum: 1. März 1999
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Studienziele
Etwa 45% der Diabeteskranken entwickeln innerhalb von 20 bis 25 Jahren eine periphere Neuropathie. Nach einem Herpes zoster leiden 10-15% unter einer Neuralgie im betroffenen Dermatom. Mit diesen Krankheitsbildern einhergehende Schmerzen sind häufig nur schwierig zu behandeln. Der Einsatz von trizyklischen Antidepressiva ist durch Nebenwirkungen und eine Reihe von Kontraindikationen limitiert. In den vorliegenden Studien wurde die Wirksamkeit von Gabapentin (Neurontin®), einem Antikonvulsivum, hinsichtlich der Schmerzlinderung bei diabetischer Neuropathie und Zosterneuralgie untersucht.

Methoden
165 Personen, die seit mindestens einem Jahr unter einer schmerzhaften diabetischen Polyneuropathie litten, und 229 Personen mit einer Zosterneuralgie wurden über einen Zeitraum von 8 Wochen randomisiert mit Gabapentin oder Placebo behandelt. Die tägliche Dosis wurde innerhalb von 4 Wochen in Abhängigkeit von der Verträglichkeit sukzessive auf maximal 3600 mg gesteigert. Diese Dosis wurde über die folgenden 4 Wochen beibehalten. Bei einer Zosterneuralgie wurde eine bestehende Therapie mit Trizyklika und/oder Analgetika weitergeführt. Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte subjektiv aus ärztlicher Sicht und durch die Betroffenen. Dabei wurde in erster Linie die 11-Punkte-Likert-Skala verwendet (0: keine Schmerzen, 10: stärkste Schmerzen).

Ergebnisse
Am Ende der 8wöchigen Behandlungsperiode zeigte sich, dass die aktiv Behandelten deutlich von Gabapentin profitierten. Bei einer diabetischen Neuropathie konnte so der Punktewert auf der Likert-Skala von 6,4 auf 3,9 gesenkt werden (Placebo: von 6,5 auf 5,1). Nahezu ebenso deutlich war das Ergebnis bei der Zosterneuralgie: In der Gabapentingruppe kam es zu einer Reduktion um ein Drittel (von 6,3 auf 4,2, Placebo: von 6,5 auf 6,0); 16% wurden völlig schmerzfrei (Placebo 9%). Der Effekt setzte innerhalb von zwei Wochen nach Behandlungsbeginn ein. Mit den Schmerzen assoziierte Schlafstörungen waren unter Gabapentin signifikant seltener. Zentralnervöse Nebenwirkun gen wie Schwindel und Schläfrigkeit waren in der Gabapentingruppe häufiger als unter Placebo; eine Altersabhängigkeit konnte nicht beobachtet werden. Therapieabbrüche waren in beiden Studien unter Gabapentin nicht signifikant häufiger als unter Placebo.

Schlussfolgerungen
Gabapentin reduziert Schmerzen und Schlafstörungen bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie und Post- Zosterneuralgie. Obwohl in diesen Studien die Wirkung von Gabapentin nur mit der von Placebo verglichen wurde, beurteilen die Autoren die Wirksamkeit als äquivalent zu derjenigen von trizyklischen Antidepressiva. Gabapentin kann deshalb bei der Behandlung schmerzhafter Neuropathien als geeignete Alternative in Betracht gezogen werden.

Chronisch neuropathische Schmerzen, welche oft auch auf Opiate ungenügend ansprechen, sind auch heute noch eine grosse therapeutische Crux mit einer unüberblickbaren Vielfalt von Behandlungsvorschlägen. Gabapentin, als Antikonvulsivum der neuesten Generation, führt die Tradition der Behandlung neuropathischer Schmerzen mit Antiepileptika fort. Die hier als statistisch signifikant nachgewiesene Wirkung ist, wie bei den «Klassikern» Carbamazepin (Tegretol® u.a.) und Phenytoin (Epanutin® u.a.), leider auch nur eine beschränkte. Dennoch ist man froh um jede einigermassen wirksame Alternative, umso mehr als Gabapentin, obwohl relativ teuer, wenige Nebenwirkungen und kaum Medikamenten-Interaktionen aufweist.

Christian W. Hess

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Gabapentin bei Neuropathien ( 1999)