Akupunktur: werden Doppelblind- Studien möglich?

  • r -- Streitberger K, Kleinhenz J. Introducing a placebo needle into acupuncture research. Lancet 1998 (1. August); 352: 364-5 [Link]
  • Kommentar: Brigitte Ausfeld-Hafter
  • infomed screen Jahrgang 2 (1998) , Nummer 9
    Publikationsdatum: 1. Oktober 1998
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Studienziele
Die Akupunktur wird seit langem in der Schmerzbehandlung eingesetzt. Die Durchführung kontrollierter Studien ist schwierig, weil bisher technisch kein entsprechendes Placeboverfahren möglich war. Durch jeden Nadelstich, ob an einem Akupunkturpunkt oder nicht, werden physiologische Effekte hervorgerufen. Personen, bei denen eine Placebo- Akupunktur durchgeführt wird, sollten nicht in der Lage sein, diese Placebonadelung vom Eindringen der wirklichen Nadel unterscheiden zu können. Unter «deqi-Gefühl» wird eine Kombination von Taubheits-, Druck- und Spannungssensationen in der Stichregion verstanden. Ein «deqi-Gefühl» sollte häufiger bei der wirklichen Nadelung als bei einer Placebonadelung auftreten.

Methoden
60 gesunde Freiwillige (29 Frauen, 31 Männer) ohne Akupunkturerfahrung wurden aus dem Spitalpersonal rekrutiert. Als Versuchsstelle wurde der Akupunkturpunkt «Hegu» im Bereiche des Thenars ausgewählt, der für das Auslösen einer Analgesie bekannt ist. Um diesen Punkt wurde ein Plastikring gelegt, anschliessend eine Plastikfolie darüber gelegt. Die Placebonadel ist stumpf, berührt die Haut, durchdringt sie aber nicht. Den Freiwilligen wurde gesagt, dass eine neue Akupunkturnadel getestet würde, um abzuklären, ob das Stichereignis mit dieser Nadel mehr oder weniger schmerzhaft sei als mit der herkömmlichen Nadel. Die Versuchspersonen wurden im Crossover-Verfahren entweder zuerst mit der wirklichen Nadel oder mit der Placebonadel gestochen.

Ergebnisse
In der Gruppe, in welcher zuerst mit der Akupunkturnadel gestochen wurde, fühlten 28 Personen den Stich, bei entwickelte sich ein deqi-Gefühl. In dieser Gruppe fühlten 21 Personen auch mit der Placebonadel ein Stichereignis, bei 5 entwickelte sich ein deqi-Gefühl. In der zweiten Gruppe, in welcher zuerst die Placebonadel eingesetzt wurde, fühlten 26 Personen ein Stichereignis, ein deqi- Gefühl entwickelte sich bei 8 Personen. Mit der Akupunkturnadel fühlten ebenfalls 26 einen Stich, das deqi-Gefühl entwickelte sich bei 17 Personen.

Schlussfolgerungen
Der Gebrauch der Akupunkturnadel scheint etwas schmerzhafter zu sein als derjenige der Placebonadel. Die Autoren sind der Meinung, dass der wichtigste spezifische Effekt auf dem Schmerzereignis durch die Penetration der Nadel an den Akupunkturstellen basiert. Die Placebonadeln dringen nicht in die Haut ein, obwohl die Probanden dies so verspürten. Deshalb dürften mit diesen Placebonadeln weitere Untersuchungen von Akupunktureffekten genügend glaubhaft sein.

Genügende Glaubwürdigkeit: Durch diese Placebonadel sollte es in Zukunft möglich sein, doppelblindplacebokontrollierte Studien auch im Bereich der Akupunkturforschung zu realisieren. Allerdings mit zwei kleinen Einschränkungen: Unklar ist die spezifische Druckwirkung des auf die Haut aufgesetzten Plastikrings. Zum anderen geht aus dem Artikel nicht hervor, ob mit der Verumnadel auch tiefer als 0,5 cm gestochen werden kann. Denn nur die richtige Stichtiefe kann ein deqi-Gefühl auslösen, das für die Akupunkturwirkung unabdingbar ist. Mit Verum-Nadeln kontra Placebo-Nadeln sind fortan «Stich versus Nicht-Stich»- Studien denkbar, auf die wir gespannt sein können.

Brigitte Ausfeld-Hafter

Standpunkte und Meinungen
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Akupunktur: werden Doppelblind- Studien möglich? ( 1998)