Dosiseffekte bei Placebo!
- r -- Kaptchuk TJ, Kelley JM, Conboy LA et al. Components of placebo effect: randomised controlled trial in patients with irritable bowel syndrome. BMJ 2008 (3. Mai); 336: 999-1003 [Link]
- Zusammenfassung: Renato L. Galeazzi
- infomed screen Jahrgang 12 (2008)
, Nummer 4
Publikationsdatum: 1. Juli 2008 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Theorien unterscheiden beim Placeboeffekt drei verschiedene Dimensionen: Beurteilung und Beobachtung, therapeutisches Ritual und unterstützende Arzt-Patienten-Beziehung. Für die Praxis stellt sich die Frage, ob diese drei Dimensionen auseinandergehalten werden können und ob eventuell eine «Dosis-Wirkungs-Beziehung» auch für Placebo besteht. Das Colon irritabile stellt für eine solche Untersuchung eine ideale Krankheit dar, ist doch die Placebo-Ansprechrate besonders hoch. Zudem können keine anatomisch-pathophysiologischen Erklärungen für diese Krankheit gegeben werden. Für diese grosse, intelligent geplante Studie wurden 262 Personen mit einem Colon irritabile in drei Gruppen eingeteilt: Eine Gruppe wurde untersucht und auf die Warteliste gesetzt («Beurteilung und Beobachtung»), die zweite Gruppe erhielt nach Diagnosestellung eine Scheinakupunktur, die dritte Gruppe wurde zusätzlich zur Scheinakupunktur noch besonders warm, empathisch und positiv-unterstützend betreut. Die Akupunkteure wurden für diese Arbeit speziell ausgebildet, die die Beurteilung durchführenden Personen und die Patienten und Patientinnen (etwa 75%) der zweiten und dritten Gruppe waren verblindet. Der Effekt wurde gemessen mit zwei globalen Scores, einem speziellen «Irritable Bowel Severity Score» und einem generellen Lebensqualitätsfragebogen.
Die Resultate waren eindeutig: in den zwei globalen Beurteilungen fand sich eine stetige Verbesserung von der Beobachtungsgruppe über die Scheinakupunkturgruppe zur Scheinakupunkturgruppe plus empathischer Betreuung. In den zwei spezifischen Tests fand sich zudem ein deutlicher Sprung zur Verbesserung zwischen der zweiten und der dritten Gruppe. Die Scheinakupunktur mit empathischer Betreuung schnitt nicht unerwarteterweise am besten ab.
Hier sind sowohl die Studienanlage als auch die Resultate sehr interessant. Die Studienverantwortlichen stellen selber fest, dass zwar Beobachtung und Befragung nicht hätten auseinandergehalten werden können, dass aber eine zusätzliche Kontrollgruppe, welche ohne ihr Wissen beobachtet hätte werden müssen, ethisch und praktisch wohl unmöglich sei. Trotzdem sind die Resultate interessant, wird doch zum ersten Mal eine Dosis-Wirkungs-Beziehung für Placebo beschrieben. Für die praktizierenden Ärztinnen und Ärzte ist es besonders wichtig zu wissen, dass die Wirkung einer empathisch-positiven Betreuung gemessen werden kann und dass ihr unabhängig von der rituellen therapeutischen Intervention eine grosse Bedeutung zukommt. Quod erat demonstrandum.
Zusammengefasst von Renato L. Galeazzi
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