Vernichtende Bilanz für Hormonsubstitution
- r -- Writing Group for the Women’s Health Initiative Investigators. Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women. JAMA 2002 (17. Juli); 288: 321-33 [Link]
- Kommentar: Etzel Gysling
- infomed screen Jahrgang 6 (2002)
, Nummer 7
Publikationsdatum: 1. Juli 2002 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Zu Beginn der 90er Jahre wiesen verschiedene Studienresultate auf einen möglichen Nutzen einer kombinierten Östrogen- Gestagen-Substitution nach der Menopause hin. Da jedoch keine Resultate von randomisierten Studien vorlagen, sollte eine solche Studie im Rahmen der amerikanischen «Women’s Health Initiative» Nutzen und Risiken einer häufig verwendeten Kombinationstherapie erforschen.
Methoden
16'608 50- bis 79jährige Frauen, die seit mindestens 6 Monaten keine vaginale Blutung mehr hatten, jedoch nicht hysterektomiert waren, erhielten in dieser Studie nach dem Zufall täglich eine kombinierte Östrogen- Gestagen-Tablette (entsprechend Premella® ST 2,5, d.h. 0,625 mg konjugierte Östrogene plus 2,5 mg Medroxyprogesteron) oder Placebo. Geplant war eine Studiendauer von 8,5 Jahren. Primäre Endpunkte der Studie waren Herzinfarkt und Brustkrebs. Daneben wurde ein «globaler Index» aus den bereits genannten und weiteren 6 Endpunkten (Schlaganfall, Lungenembolie, Endometriumkarzinom, kolorektales Karzinom, Schenkelhalsfraktur, Tod infolge anderer Ursache) definiert.
Ergebnisse
Die Studien-Überwachungskommission hat Ende Mai 2002 die Studie nach durchschnittlich 5,2 Jahren Dauer abgebrochen, da gewisse vorher bestimmte Kriterien bezüglich Risikoausmass erfüllt waren. Im Vergleich mit einer Placebotherapie fand sich für die Hormonkombination ein signifikant (um 26%) erhöhtes Brustkrebsrisiko; auch der globale Index zeigte ein signifikant um 15% erhöhtes Gesamtrisiko an. Für hormonbehandelte Frauen lag das Risiko für einen Herzinfarkt um 29%, für eine Lungenembolie um 113% und für einen Schlaganfall um 41% höher als für Frauen unter Placebo. Kolorektale Karzinome und Schenkelhalsfrakturen waren bei hormonbehandelten Frauen seltener. Die absoluten Fallzahlen waren relativ klein, z.B. erkrankten in der Hormongruppe 8 auf 10'000 Frauenjahre an einem invasiven Brustkrebs. Für die ganze Studiendauer errechnet sich jedoch gesamthaft eine Zahl von fast 100 zusätzlichen unerwünschten Ereignissen auf 10'000 hormonbehandelte Frauen. Die Gesamtmortalität war in beiden Gruppen gleich.
Schlussfolgerungen
Das Nutzen-Risiko-Verhältnis einer während rund 5 Jahren durchgeführten Östrogen-Medroxyprogesteron-Substitution ist ungünstig. Diese Therapie eignet sich nicht zur Prävention der koronaren Herzkrankheit. (EG)
Es ist erschütternd, dass die moderne Medizin Jahrzehnte benötigt hat, um festzustellen, dass die von den Menopause-Experten fast universell empfohlene Hormonsubstitution eine negative Nutzen-Schaden-Bilanz aufweisen kann. Welche Rolle dabei dem in dieser Studie verwendeten Medroxyprogesteron zukommt, lässt sich kaum sagen, da keine entsprechenden Daten zu anderen Gestagenen vorliegen. Die vorliegenden Resultate stellen jedoch eindeutig die gesamte bisherige Substitutionsstrategie in Frage. Selbst eine kurzfristige Hormongabe ist nicht frei von Risiken: kardiovaskuläre Ereignisse waren schon im ersten Behandlungsjahr gehäuft.
Etzel Gysling
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