Homozystein-Senkung ohne Nutzen

  • r -- Bonaa KH, Njolstad I, Ueland PM et al. Homocysteine lowering and cardiovascular events after acute myocardial infarction. N Engl J Med 2006 (13. April); 354: 1578-88 [Link]
  • Zusammenfassung:
  • Kommentar: Walter Angehrn
  • infomed screen Jahrgang 10 (2006) , Nummer 8
    Publikationsdatum: 1. August 2006
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Studienziele
In der NORVIT-Studie («Norwegian Vitamin Trial») wurde der Effekt von verschiedenen Kombinationen der Vitamine B6, B12 und Folsäure bei Personen nach akutem Herzinfarkt untersucht.

Methoden
Die 3'749 Männer und Frauen zwischen 30 und 85 Jahren wurden 7 Tage nach einem akuten Herzinfarkt nach dem Zufall einer der vier folgenden Behandlungen zugeteilt: 0,8 mg Folsäure, 0,4 mg Vitamin B12 und 40 mg Vitamin B6 (zusammen in einer Kapsel), nur Folsäure und Vitamin B12, nur Vitamin B6 oder Placebo. Primäre Endpunkte waren ein erneuter Herzinfarkt, ein zerebrovaskulärer Insult oder ein plötzlicher Todesfall infolge koronarer Herzkrankheit. Ergebnisse In beiden Gruppen, die Folsäure und Vitamin B12 erhielten, sank der Homozysteinspiegel um 27% (von 13,0 auf 9,6 μmol). Die Gruppen unterschieden sich aber nicht signifikant bezüglich kardiovaskulärer Endpunkte, das Risiko war tendenziell sogar höher in den Vitamin-Gruppen. Am stärksten war dieser Trend in der Kombinationsgruppe mit Folsäure, Vitamin B12 und B6 (RR 1,22; 95%-CI 1,00 – 1,50).

Schlussfolgerungen
Das Risiko eines erneuten Herzinfarktes kann durch eine Behandlung mit Vitaminen aus der B-Gruppe nicht vermindert werden.

Zusammengefasst von Felix Tapernoux

Die Daten der beiden klinischen Studien NORVIT und Hope 2 zeigen zusammen mit den Resultaten der früheren VISP-Studie konsistent, dass Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 die Homozystein-Plasmakonzentration zwar signifikant senken, dass aber die erwartete Reduktion von kardiovaskulären Ereignissen bei vaskulären Hochrisiko- Patienten mit leichter Hyperhomozysteinämie nicht erzielt werden kann. Die Diskordanz zwischen der Epidemiologie von Homozystein und den negativen Resultaten der Interventionsstudien lässt Erinnerungen an die Situation mit Östrogen und Antioxidantien aufkommen. Stimmt die Homozysteinhypothese nicht? Ist Homozystein eher ein Marker und nicht die (Teil-)Ursache vaskulärer Erkrankungen?

Verschiedene andere Fragen (z.B. Dosierung und Kombination von Folsäure und den beiden Vitaminen, Bedeutung der Folsäureanreicherung in den Nahrungsmitteln) bleiben offen. Meines Erachtens ist es fraglich, ob die noch laufenden klinischen Grossstudien mehr Licht in die Dunkelheit bringen werden. Die Kenntnisse vom Homozystein- Stoffwechsel und dessen Beeinflussbarkeit sind offensichtlich noch ungenügend. Im jetzigen Zeitpunkt kann mit Bestimmtheit gesagt werden, dass in der kardiovaskulären Sekundärprävention keine Indikation für eine Senkung von Homozystein mit Folsäure, Vitamin B12 und Vitamin B6 besteht.

Walter Angehrn

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 10 -- No. 8
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Homozystein-Senkung ohne Nutzen ( 2006)