Androgenentzug bei Prostatakarzinom
- a -- Sharifi N, Gulley JL, Dahut WL. Androgen deprivation therapy for prostate cancer. JAMA 2005 (13. Juli); 294: 238-44 [Link]
- Zusammenfassung:
- Kommentar: Silke Gillessen
- infomed screen Jahrgang 9 (2005)
, Nummer 10
Publikationsdatum: 1. Oktober 2005 - PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)
Studienziele
Die Androgenentzugstherapie ist der Eckpfeiler der Behandlung des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Am einfachsten wird der Androgenentzug mit einer Orchiektomie erreicht. Alternativ können Analoga des «Gonadotropin releasing »-Hormons und neuerdings auch Gonadotropin-RH-Antagonisten zur Androgenablation eingesetzt werden. Die Androgenentzugstherapie wird auch als adjuvante Therapie beim lokal begrenzten Karzinom und bei einem Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) nach Lokaltherapie angewandt.
Methoden
Aus der Medline-Datenbank und aus Literaturlisten wurden englischsprachige Arbeiten zum Thema «Androgenentzug bei Prostatakarzinom» gesucht; die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden in der vorliegenden Übersichtsarbeit zusammengefasst.
Ergebnisse
Eine grossangelegte Studie von 1967 zur Orchiektomie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom zeigte über eine Beobachtungszeit von 9 Jahren keinen Überlebensvorteil einer frühen Orchiektomie. Eine Studie bei über 900 Männern mit lokal fortgeschrittenen oder asymptomatisch metastasierenden Prostatakarzinomen zeigte hingegen Vorteile einer Androgenentzugstherapie. In der Interventionsgruppe, die früher behandelt wurde, waren Todesfälle insgesamt wie auch Skelettmetastasen, pathologische Frakturen, Rückenmarkskompression und Harnwegs-Obstruktion seltener als in der Kontrollgruppe, in welcher die Behandlung später begonnen wurde. Verschiedene randomisierte Studien zeigten einen Überlebensvorteil, wenn bei lokal fortgeschrittenen Karzinomen eine Strahlentherapie mit einer Androgenentzugstherapie kombiniert wurde. Hingegen fehlen prospektive Daten, um den Nutzen eines Androgenentzuges bei ansteigenden PSA-Werten nach lokaler Behandlung ohne radiologischen Nachweis von Metastasen belegen zu können.
Eine Androgenentzugstherapie führt bei bis zu 80% der Patienten zu Hitzewallungen, für knapp 30% sind das die am stärksten störenden Nebenwirkungen. Der Knochensubstanzverlust übertrifft denjenigen bei Frauen in der frühen Menopause, die Frakturhäufigkeit steigt nach einem Jahr Behandlung an. Etwa ein Drittel der Behandelten leiden bereits vor Therapiebeginn an einer erektilen Dysfunktion oder mangelnder Libido, unter Therapie steigt der Anteil auf mehr als zwei Drittel an. Ein Androgenentzug kann auch zur Gewichtszunahme und erhöhten Plasmalipiden führen.
Schlussfolgerungen
Auf Grund der vorliegenden Studien hat eine Androgenentzugstherapie einen palliativen Nutzen bei fortgeschrittenen Prostatakarzinomen und verlängert wahrscheinlich die Überlebenszeit bei lokal fortgeschrittenen Tumoren. Andere Indikationen sind noch nicht dokumentiert, allfällige Vorteile einer Behandlung müssen gegen die Nachteile abgewägt werden.
Zusammengefasst von Franz Marty
Auch in der Schweiz ist das Prostatakarzinom das häufigste Karzinom (abgesehen von malignen Tumoren der Haut). Deswegen ist dies eine wichtige Übersichtsarbeit über den Stellenwert der Androgenablation in verschiedenen Stadien dieser Erkrankung und die Nebenwirkungen des Androgenentzugs. Die Orchiektomie ist die einfachste, kostengünstigste und eine zudem effiziente Methode des Androgenentzugs. Es scheint fraglich, ob in der Schweiz wirklich immer psychologische Gründe dazu führen, dass statt einer Orchiektomie ein medikamentöser Androgenentzug erfolgt. Die im Text erwähnten Gonadotropin-«releasinghormone »-Antagonisten sind in der Schweiz (noch) nicht auf dem Markt und deswegen keine Alternative. Richtigerweise werden nicht nur die Effizienz, sondern auch die bisher häufig vernachlässigten Nebenwirkungen des Androgenentzugs ausführlich beschrieben. Wichtig ist sicher, dass man mit seinem Patienten den möglichen Nutzen in seiner Situation, aber auch die potentiellen Nebenwirkungen ausführlich bespricht, bevor eine Androgenentzugstherapie begonnen wird. Es sollten ausserdem vermehrt grosse Studien über die Prophylaxe (z.B. bei Osteoporose) bzw. die Behandlung der Nebenwirkungen (z.B. bei Wallungen) durchgeführt werden.
Silke Gillessen
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