Bild des Monats Januar 2018: Johann Jakob Scheuchzer (1672 — 1733)
Bild des Monats Februar 2018: Kanaren-Glockenblume (Canarina canariensis)
Bild des Monats März 2018: Ölbaum (Olea europaea)
Bild des Monats April 2018: Blasenschötchen (Alyssoides utriculata)
Bild des Monats Mai 2018: Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris)
Bild des Monats Juni 2018: Alpenazalee (Loiseleuria procumbens)
Bild des Monats Juli 2018: Stein-Klee (Trifolium saxatile)
Bild des Monats August 2018: Hoher Rittersporn (Delphinium elatum)
Bild des Monats September 2018: Arznei-Engelwurz (Angelica archangelica)
Bild des Monats Oktober 2018: Lebensraum Alpine Hochstaudenflur
Bild des Monats November 2018: Hoodia gordonii - Zauberpflanze oder Schwindel
Bild des Monats Dezember 2018: Eichen (Quercus sp.)
Der Schweizer Naturforscher war ein typischer Vertreter der beginnenden Aufklärung: er deutete die Fossilien als Zeugen für die biblische Sintflut, obwohl ihm wahrscheinlich der wissenschaftliche Hintergrund klar war. In seinem Werk Herbarium diluvianum (1706) zeigte er auf Tafeln Abdrücke von Pflanzen aus Karbon, Perm und Tertiär, welche eine Artbestimmung ermöglichten. Er wanderte in die Alpen, erforschte Wetterphänomene und machte Höhenmessungen mit dem Barometer. 1713 entstand eine Karte der Schweiz, die zu den besten dieser Epoche zählt. In seinem Alterswerk Physica sacra (erschienen 1731 – 35) versuchte er den Gottesbeweis durch die Naturwissenschaft zu erbringen. Wie viele Forscher seiner Zeit war er Mediziner (Stadtarzt in Zürich).
Er hinterliess kein wirklich botanisches Werk. Trotzdem ist sein Name in der Familie der Blumenbinsengewächse (Scheuchzeriaceae) mit der einzigen Pflanze Scheuchzeria palustris (Sumpf-Blumenbinse) verewigt. Weitere Pflanzen tragen seinen Namen, die bekanntesten sind Campanula scheuchzeri (Glockenblume), Phytheuma scheuchzeri (Teufelskralle) und Eriophorum scheuchzeri (Wollgras). Mein Foto zeigt die letzte Pflanze am hochalpinen Standort Märjelensee im Wallis.
In den vergangenen Jahren haben wir die enorme Vielfalt der kanarischen Flora am Beispiel von Natternkopf, Gänsedistel oder Wolfsmilch gesehen. Es gibt aber auch Gegenbeispiele, z.B. die Glockenblumengewächse. Nur 2 Campanula-Arten wachsen auf den Kanarischen Inseln, beide sind nicht endemisch, sondern haben ein westmediterranes Verbreitungsgebiet. Und dann gibt es noch die Nationalblume der Kanarischen Inseln, welche auf keinem Prospekt fehlt – Canarina canariensis. Sie wurde zu Recht in einer eigenen Gattung von Campanula getrennt: die orange bis ziegelroten Blüten fallen auf und wenn man genau schaut, zählt man 6 Kronzipfel („normale“ Glockenblumen haben 5). Die Früchte sind Beeren, während Campanula Kapselfrüchte hat. Ausser auf den sehr trockenen Inseln Lanzarote und Fuerteventura kommt sie auf allen Inseln vor. Ihr Lebensraum sind vor allem die feuchten Lorbeerwälder auf der dem Passat zugewandten Nordseite bis auf eine Höhe von 1'000 Metern ü.M.
Die Kanaren-Glockenblume wird bis 3 Meter hoch, sie klettert gerne auf anderen Bäumen oder Büschen. Die rote Farbe deutet auf Vogelbestäubung hin (rot wird von Insekten nicht erkannt) – der wichtigste Bestäuber ist ein Verwandter unseres Zilpzalp. Eine andere Besonderheit: sie blüht in den Wintermonaten November bis März.
Der Öl- oder Olivenbaum ist der Typusbaum der mediterranen Flora, bzw. der mediterranen Klimaregion. Er wächst sehr langsam und kann ein Alter von mehreren hundert Jahren erreichen. Die ältesten Exemplare auf Kreta werden auf 4'000 Jahre geschätzt. Man hat in Vulkanasche auf Santorin Reste von Blättern mit einem Alter von über 50'000 Jahren gefunden. Das beweist, dass die Pflanze im Mittelmeerraum heimisch war und nicht mit dem Mensch aus dem Vorderen Orient eingewandert ist. Beginnend mit dem Olivenzweig der Arche Noahs hatte der Olivenbaum eine grosse kulturelle und symbolische Bedeutung (Friedenssymbol). Auch heute noch ist der Baum für viele Gebiete in Spanien, Italien und Griechenland wegen der Oliven- und Olivenölproduktion ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.
Zurzeit bedroht das eingeschleppte Bakterium Xylella fastidiosa die Olivenbäume in Apulien. Man plant grossflächige Rodungen, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. http://www.oliiv.ch/2017/01/18/xylella-ein-bakterium-bedroht-apuliens-olivenbaeume/
Botanisch gesehen gibt es nicht nur einen Olivenbaum. Die Namen gebende Gattung Olea (Familie Oleaceae) umfasst ca. 40 Arten mit einem altweltlichen Verbreitungsgebiet (Europa, Asien und Afrika). Die afrikanische Art Olea capensis wird in Südafrika als Black Ironwood bezeichnet und hat nach dem „Guiness Buch der Rekorde“ das schwerste aller Hölzer (spezifisches Gewicht 1.49, d.h. das Holz sinkt im Wasser). Zur Familie der Ölbaumgewächse zählen auch andere bekannte Pflanzen wie Esche, Liguster, Forsythie und Flieder, um nur einige zu nennen.
Die Pflanzen aus der Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) erkennt man leicht an den 4 Kronblättern. Für die Bestimmung der einzelnen Art sind oft die Früchte ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Unsere Pflanze des Monats trägt diese blasenförmigen Schoten bereits im Namen. Schon im April kann man im Walliser Rhonetal, z.B. im Gebiet der Follatères bei Martigny das Blasenschötchen blühend antreffen. Oft sieht man neben den frischen Pflanzen auch die dürren Stängel vom Vorjahr, welche nur noch Ringe (die Überreste der Blasen) tragen.
Das Verbreitungsgebiet von Alyssoides sind die europäischen Gebirge (Westalpen, Apennin, Balkan, Karpaten). In der Schweiz wächst die Pflanze nur im unteren Rhonetal und in den Seitentälern. Standorte sind Felsspalten, Gesteinsschutt und Trockenrasen.
Diverse Euphorbia-Arten in der Schweiz stammen aus dem Mittelmeerraum und gelten als Neophyten. Die seltenste Art ist die Krainer Wolfsmilch (Euphorbia carniolica) mit einem einzigen Standort bei Vulpera im Unterengadin.
Zu den Euphorbien zählen auch die bekannten „Zimmerpflanzen“ Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima) und Christusdorn (Euphorbia milii).
Unter den Alpenpflanzen gibt es richtige Extremisten – und unsere Pflanze des Monats gehört sicher dazu. Die Alpenazalee oder Gämsheide ist ein immergrüner Spalierstrauch und wächst in Gratlagen, die vom Wind auch im Winter schneefrei geblasen werden. Sie muss also neben starken Winden auch sehr tiefe Temperaturen ertragen, hat aber im Frühling den Vorteil, dass keine grossen Schneemengen abschmelzen müssen und sie somit früh blühen kann (je nach Höhenlage ab Mai bis Juli). Die Pflanze kann sehr alt werden, wächst aber extrem langsam. Die Jahrringe des verholzten Zwergstrauches sind nur ca. 0.07 mm breit.
Die Alpenazalee ist eine Charakterpflanze der Zwergstrauchheiden, zusammen mit der Bärentraube, Rauschbeere und diversen Flechtenarten. Loiseleuria procumbens ist auf der Nordhalbkugel zirkumpolar verbreitet, d.h. in Amerika, Europa und Asien. In den Alpen steigt sie auf über 3'000 Meter ü.M. und sie erreicht im Norden den Polarkreis. Da sie auf saure Böden angewiesen ist, findet man sie sehr selten in den Kalkalpen –in den Zentralalpen ist sie aber häufig.
Es gibt in den Schweizer Alpen 2 botanische Hot Spots: das Engadin und die Vispertäler, vor allem die Region um Zermatt. Beide Gebiete sind touristisch stark erschlossen, aber trotzdem für Botaniker sehr lohnend.
Die Pflanze des Monats gehört zur „Allerweltsgattung“ Klee (Trifolium) aus der Familie der Schmetterlingsblütler. Es braucht ein gutes Auge, um den winzigen Stein-Klee zu entdecken: die Pflanze ist nur 5 – 15 cm hoch, die weissen oder blassrosa Blüten sind 3 - 4 mm lang. Trifolium saxatile wächst auf Silikatschutt und Alluvionen (Gletschervorländer, Flussbetten) im subalpinen und alpinen Bereich auf 1'400 bis 2'700 Meter ü.M. Der Stein-Klee ist ein Endemit der Zentralalpen. Ausser im südlichen Wallis kommt er nur noch in den französischen Westalpen, in Italien in Seitentälern des Aostatales und isoliert in Süd- und Nordtirol vor. Die Pflanze ist nicht konkurrenzstark, d.h. sie wird leicht durch andere verdrängt. Wegen der Klimaerwärmung wird befürchtet, dass sie an ihren Standorten in tieferen Lagen verschwinden wird, dass andererseits neue Standorte in höheren Lagen nicht so rasch als Ersatz zur Verfügung stehen. Die internationale Verantwortung der Schweiz für diese Art ist hoch.
Die Hochstaudenflur ist ein typischer Lebensraum in den Alpen – und der Rittersporn gehört dazu wie auch Eisenhut, Alpen-Dost, Alpen-Milchlattich, Meisterwurz und viele andere. Ich werde im Oktober auf diesen Lebensraum eingehen.
Die Gattung Delphinium aus der Familie der Hahnenfussgewächse ist nahe verwandt mit Consolida (Acker-Rittersporn) und Aconitum (Eisenhut). In den Alpen kommen nur 2 blau blühende Arten vor: Delphinium dubium in den italienischen und französischen Westalpen und unser Delphinium elatum. Weltweit gibt es aber über 300 Delphinium-Arten, die sich vor allem auf China (ca. 150 Arten) und Nordamerika (60) konzentrieren. Der Rittersporn ist extrem giftig (Alkaloide), trotzdem wird die Pflanze gerne als Zierpflanze in Gärten und Parks gezogen.
Das Verbreitungsgebiet in der Schweiz erstreckt sich über die ganze Alpennordseite in der subalpinen Stufe, vor allem auf Kalk in den erwähnten Hochstaudenfluren. Die Pflanze wird bis 150 cm hoch, macht ihrem Namen also alle Ehre. Der lateinische Name leitet sich übrigens von der Form der Blütenknospe ab, die einem Delfin ähnelt. Die Blütezeit ist Juli bis August.
Die bei uns weit verbreitete Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris) blüht momentan überall auf Waldlichtungen und feuchten Wiesen. Ich möchte aber ihre Schwester vorstellen: Diese blüht nicht weiss, sondern grüngelb und kommt in der Schweiz nicht vor. Ihr Verbreitungsgebiet ist Nord- und Osteuropa sowie das nördliche Amerika und Asien. Mein Bild stammt aus Island, wo sie an den Küsten und Flussufern sehr häufig ist. Der stattliche Doldenblütler wird 1 bis 1.5 Meter hoch und wird von allerlei Insekten gern besucht.
Die Pflanze wird in der Volksmedizin für verschiedene Leiden angewendet, in Nordeuropa wurde sie auch als Gemüse angebaut. Im Internet habe ich noch einen Hinweis auf die Herkunft des Namens gefunden:
> https://kraeuterportraits.blogspot.com/2013/07/engelwurz-angelika.html
„Der Name der Angelica archangelica bezieht sich auf den Erzengel Raphael, der sie in Zeiten der Pest einem Eremiten als Heilmittel empfohlen hat. Tatsächlich kauten während der Pestepidemien Ärzte die Wurzel der Engelwurz, um sich vor der Pest zu schützen. Im Mittelalter war die Engelwurz neben Bibernelle, Enzian, Wacholderbeere und Blutwurz in allen Klostergärten zu finden.“
Diese Pflanzengesellschaft benötigt tiefgründige, feuchte und gut belüftete Böden. Es herrschen auffallend hochwüchsige und breitblättrige Stauden wie Eisenhut (Aconitum), Alpendost (Adenostyles), Alpen-Milchlattich (Cicerbita) oder Kälberkropf (Chaerophyllum) vor. Es sind eher nordseitige Standorte mit langer Schneebedeckung in der subalpinen Stufe (ca. 1'500 – 2’000 m). Oft entstehen Hochstaudenfluren durch menschlichen bzw. tierischen Einfluss, man spricht dann auch von Lägerfluren.
Mein Beispiel aus dem Toggenburg im Kanton St. Gallen ist vermutlich ein solcher Standort: die vorherrschende Pflanze ist das Alpen-Greiskraut (Senecio alpinus), daneben ist Blauer Eisenhut, Alpendost, Alpen-Kratzdistel und Alpen-Ampfer zu erkennen. Alle diese Pflanzen sind Zeiger für nährstoffreiche Böden. Es ist ein relativ flacher Standort, an dem die Rinder ausruhen, wiederkäuen – und den Boden düngen.
Weitere typische Arten der alpinen Hochstaudenfluren sind Eisenhutblättriger Hahnenfuss (Ranunculus aconitifolius), Meisterwurz (Peucedanum ostruthium), Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum), Germer (Veratrum album) und andere (> Bild des Monats August 2018).
Gemäss Forstinventar sind Eichen mit nur ca. 2.2 % am Gesamtvorrat der Schweizer Wälder beteiligt. Eigentlich wäre der natürliche Wald im Mittelland ein Eichenmischwald. Der heutige Waldbau strebt wieder in diese Richtung, in der Realität wachsen aber immer noch grosse Fichtenwälder. Dass diese nicht standortgerecht sind, haben die grossen Stürme Vivian und Lothar gezeigt.
4 heimische Eichenarten sind vertreten: Traubeneiche (Quercus petraea) und Stieleiche (Quercus robur) machen 95% des Bestands aus. Dazu kommen kleine Vorkommen der Flaumeiche (Quercus pubescens) im Wallis, Jura und Tessin, sowie der Zerreiche (Quercus cerris) nur im Tessin.
Die Eiche ist ein wertvolles Kulturerbe, viele Orts- und Flurnamen zeugen davon. Die Eichenwälder waren eine wichtige Lebensgrundlage: sie lieferten Eicheln für die weidenden Schweine, Holz für den Bau, Rinde für Gerbstoff.
Keine andere heimische Baumart beherbergt eine so grosse Zahl von Tierarten wie die beiden Eichenarten Stieleiche und Traubeneiche. In Mitteleuropa sind – je nach Quelle – 300 bis 500 Arten bekannt, welche auf Eichen spezialisiert, d.h. ausschliesslich oder sehr stark von dieser Baumart abhängig sind.
(Quelle: proQuercus https://www.proquercus.org/ )
Mein Bild einer Traubeneiche stammt vom Eichwald Tamins GR.
Buchempfehlung: Wege zu Baumriesen von Michel Brunner, Werdverlag 2011