Dutasterid

Dutasterid (Avodart®), ein neuer 5a-Reduktasehemmer, wird zur Therapie der benignen Prostatahyperplasie empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Die 5a-Reduktase katalysiert die Umwandlung von Testosteron zu Dihydrotestosteron, das in der Prostata das wichtigste Androgen ist und als begünstigender Faktor bei der Entstehung einer benignen Prostatahyperplasie angesehen wird. Von der 5a-Reduktase gibt es zwei Isoenzyme (Typ 1 und 2), die je nach Gewebe unterschiedlich exprimiert werden. In der Prostata ist der Typ 2 die dominierende Form. Finasterid (Proscar®), das als erster 5a-Reduktasehemmer eingeführt wurde,(1) blockiert von den beiden Isoenzymen praktisch nur den Typ 2; die Konzentration von Dihydrotestosteron wird damit in der Prostata um bis zu 90% und im Plasma um bis zu 70% gesenkt.

Dutasterid, von der Struktur her ein 4-Aza-Steroid, hemmt dagegen beide Isoenzyme, was vor allem eine stärkere Senkung des Dihydrotestosteron-Spiegels im Plasma bedeutet. Die Verminderung der Dihydrotestosteron-Konzentration unter 5a-Reduktasehemmern geht mit einer Zunahme der Testosteron- Spiegel einher. Gleichzeitig bewirken sie eine Konzentrationsabnahme des prostataspezifischen Antigens (PSA). Auf die Blutfette und Knochendichte scheinen sie keinen Einfluss
zu haben.(2,3)

Pharmakokinetik

Die Plasmaspitzenkonzentration von Dutasterid wird innerhalb von ein bis drei Stunden erreicht. Die biologische Verfügbarkeit kann stark variieren; im Mittel beträgt sie 60%. Soweit entschlüsselt, findet der Abbau in der Leber über CYP3A4 statt. Identifiziert sind drei Hauptmetaboliten, zum Teil ähnlich potent wie die Muttersubstanz, sowie zwei weniger bedeutende Metaboliten. Die Metaboliten werden via Stuhl ausgeschieden. Die Halbwertszeit erstreckt sich über drei bis fünf Wochen. Bei verminderter Leber- oder Nierenfunktion ist die Pharmakokinetik nicht untersucht.(2,3)

Klinische Studien

Die Wirksamkeit von Dutasterid wurde anhand von drei Doppelblindstudien dokumentiert. Die Daten zu diesen drei Studien sind einzeln nicht verfügbar, sondern nur zusammengefasst präsentiert.

Das ganze Kollektiv umfasste 4325 Männer, die mindestens 50 Jahre alt waren und an einer benignen Prostatahyperplasie litten. Ihr Prostatavolumen, mit einer transrektalen Sonographie bestimmt, musste mindestens 30 cm³ messen, die maximale Harnflussrate durfte 15 ml/sec nicht übersteigen, und der PSASpiegel hatte zwischen 1,5 und 10 ng/ml zu liegen. Ferner mussten gemäss dem «American Urological Association Symptom Index» (AUA-SI) mittelgradige bis schwere Beschwerden vorhanden sein. Der AUA-SI basiert auf einem Fragebogen, mit dem die typischen Symptome einer Prostatahyperplasie – unvollständige Blasenentleerung, häufiges Wasserlassen, Dranggefühl, abgeschwächter Harnstrahl u.a. – mit einer Punktezahl zwischen 0 und 35 quantifiziert werden. Die Studienteilnehmer erhielten entweder Dutasterid (0,5 mg täglich) oder Placebo.

Nach zwei Jahren war die durchschnittliche Punktezahl auf der AUA-SI-Skala bei den Dutasterid-Behandelten von 17,0 auf 12,2, bei den Placebo-Behandelten von 17,1 auf 14,7 gesunken. Mit Dutasterid hatte sich die maximale Harnflussrate von 10,1 auf 12,5 ml/sec, das Prostatavolumen von 54,9 auf 41,2 cm³ und der PSA-Spiegel von 4,0 auf 1,9 ng/ml verändert; mit Placebo wurden Zunahmen von 10,4 auf 11,2 ml/sec, von 54,0 auf 54,1 cm³ bzw. von 4,0 auf 4,3 ng/ml registriert. In der
Dutasterid-Gruppe war bei 1,8% der Männer ein akutes Harnverhalten aufgetreten und 2,2% mussten sich einer Prostatektomie unterziehen; in der Placebo-Gruppe betrugen diese Prozentsätze 4,2% bzw. 4,1%. Alle diese Unterschiede waren statistisch signifikant.(4) Dies bedeutete auch eine verbesserte Lebensqualität (daran gemessen, wie belastend die durch die Prostatahyperplasie verursachten Beschwerden empfunden wurden).(5)

Die drei Studien wurden nach dem Abschluss der doppelblinden Phase noch über zwei Jahre offen weitergeführt; von einer dieser Nachfolgestudien sind die Daten in einem Abstract veröffentlicht: sie zeigen, dass sich auf der AUA-SI-Skala die mit Dutasterid erzielte Wirkung gegenüber Studienbeginn weiter verbessern lässt.(6)

In einem einjährigen Vergleich zwischen Dutasterid (0,5 mg pro Tag) und Finasterid (5 mg pro Tag), der in einer Übersichtsarbeit summarisch erwähnt ist, waren die Unterschiede zwischen den beiden 5a-Reduktasehemmern nicht signifikant.(7)

Unerwünschte Wirkungen

Bei den unerwünschten Wirkungen von Dutasterid handelt es sich vor allem um sexuelle Störungen wie Erektionsprobleme, Libidoabnahme und vermindertes Ejakulatvolumen sowie um Gynäkomastie. Diese Nebenwirkungen waren am häufigsten während der ersten sechs Behandlungsmonate und nahmen mit zunehmender Therapiedauer eher ab. In den Studien wurden ferner über Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Malaise, muskuloskelettale Schmerzen und Infekte der oberen Atemwege geklagt; diese Beschwerden waren aber in den Placebo- Gruppen ungefähr gleich vertreten wie in den Dutasterid- Gruppen.(2)

Interaktionen

Wenn Dutasterid zusammen mit CYP3A4-Hemmern verabreicht wird, ist eine Zunahme der Dutasterid-Spiegel zu erwarten. Dutasterid selbst scheint weder den Metabolismus noch die Proteinbindung von anderen Medikamenten zu verändern.3 Sicherheitshalber sollen aber in Kombination mit oralen Antikoagulantien die INR-Werte am Anfang häufiger kontrolliert werden.

Dosierung/Verabreichung/Kosten

Dutasterid (Avodart®) ist als Kapseln zu 0,5 mg erhältlich und kassenzulässig. Pro Tag wird eine Kapsel eingenommen. Offizielle Indikation ist die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie; für andere potentielle Einsatzgebiete der 5a-Reduktasehemmer, androgenetische Alopezie oder Prostatakarzinom- Prophylaxe, ist das Mittel nicht zugelassen.

Dutasterid senkt den PSA-Spiegel um ungefähr 50%; entsprechend verschiebt sich der PSA-Normbereich nach unten (was für die Prostatakarzinom-Diagnostik von Bedeutung ist). Bei eingeschränkter Leberfunktion soll Dutasterid mit der nötigen Vorsicht angewendet werden. Wenn eine Behandlung mit 5a-Reduktasehemmern gestoppt wird, ist damit zu rechnen, dass sich die erzielte Wirkung verliert.

Da 5a-Reduktasehemmer zu einer Feminisierung männlicher Feten führen können, müssen schwangere Frauen jegliche Exposition (auch Hautkontakt) mit dem Medikament vermeiden. Männer unter Dutasterid sollen nicht blutspenden, damit Schwangere kein Blut erhalten, das Dutasterid enthält. Daten zur – akzidentellen – Einnahme bei stillenden Frauen oder bei Kindern existieren nicht.

Die monatlichen Kosten betragen knapp 70 Franken und liegen damit nur um wenige Rappen über den Kosten von Finasterid. Die meisten Alphablocker kosten weniger als 50 Franken.

Kommentar

Dass Dutasterid der «erste duale 5a-Reduktasehemmer» ist, nimmt man zur Kenntnis – solange keine direkten Vergleiche zwischen Dutasterid und Finasterid etwas anderes zeigen, hat das für die Praxis keine Bedeutung, so dass Finasterid unter den 5a-Reduktasehemmern weiterhin den Platz der Referenzsubstanz für sich behaupten darf. Auch die enorm lange Halbwertszeit von Dutasterid empfindet man nicht als vorteilhafte Eigenschaft.

Das Problem der 5a-Reduktasehemmer bleibt, dass sie die Beschwerden der Prostatahyperplasie meistens weniger gut lindern als die billigeren Alphablocker. Wenn man anhand der drei placebokontrollierten Dutasterid-Studien die «Numbers needed to treat» (NNT) berechnet, relativiert sich auch die prophylaktische Wirkung, deren die 5a-Reduktasehemmer gerühmt werden: um einen Fall eines akuten Harnverhaltens zu verhüten, müssen 42 Männer statt Placebo zwei Jahre lang
Dutasterid nehmen; und um eine Prostatektomie zu umgehen, sind es gar 53 Männer.

Standpunkte und Meinungen

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Dutasterid (21. Januar 2004)
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pharma-kritik, 25/No. 18
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