Roflumilast

Roflumilast (Daxas®) wird zur oralen Behandlung der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Roflumilast ist ein selektiver und kompetitiver Hemmer des Phosphodiesterase-Typs 4 (PDE-4). Dieses Enzym, das die Umwandlung von zyklischem Adenosin-3',5'-Monophosphat (cAMP) zum inaktiven Adenosin-5'-Monophosphat (AMP) katalysiert, kommt in Entzündungszellen und in Zellen des Lungengewebes (Bronchialepithelien, Fibroblasten und glatten Muskelzellen) vor. Durch die Roflumilast-induzierte PDE-4-Hemmung steigt die intrazelluläre Konzentration von cAMP, was die Entzündungs- und anderen Prozesse günstig zu beeinflussen scheint, die sich bei der chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) abspielen. Roflumilast hat keinen direkten bronchodilatierenden Effekt. Der Wirkmechanismus von Roflumilast ähnelt demjenigen von Theophyllin (Unifyl® u.a.), das aber weniger spezifisch auch andere Phosphodiesterasen hemmt.(1,2)

Pharmakokinetik

Nach Einnahme von Roflumilast dauert es 1 Stunde, bis der Plasmaspitzenspiegel erreicht ist. Die biologische Verfügbarkeit liegt bei 80%. Der Hauptabbauweg von Roflumilast besteht in einer CYP3A4- und CYP1A2-vermittelten Oxidation, bei der Roflumilast-N-Oxid entsteht. Dieser Metabolit ist ebenfalls pharmakologisch aktiv und trägt massgeblich zur Wirkung bei, da er ein deutlich höheres Konzentra­tions-Zeit-Produkt erreicht als die Muttersubstanz. Roflumilast-N-Oxid wird vor allem über CYP3A4 dealkyliert und danach glukuronidiert. Die endgültige Ausscheidung findet zu 70% über die Nieren statt. Die Halbwertszeiten von Roflumilast und Roflumilast-N-Oxid betragen im Median 17 bzw. 30 Stunden. Die «Gesamt-PDE-4-Hemmung» (einem auf einer mathematischen Formel beruhenden Konzept, mit dem im Prinzip die Totalexposition gegenüber Roflumilast plus Roflumilast-N-Oxid ausgedrückt wird) steigt bei leicht- bis mittelgradiger Leberinsuffizienz um 20 bis 90%; auch bei älteren Personen und bei Frauen nimmt diese «Gesamt-'PDE-4-Hemmung» etwas zu, während sie bei Rauchern und Raucherinnen leicht erniedrigt ist.(2,3)

Klinische Studien

In mehreren Phase-'III-Studien wurde die Wirksamkeit von Roflumilast bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit geprüft. Davon sind sechs – alles doppelblinde Placebovergleiche – in vollständiger Form publiziert. Sie befassten sich mit Patienten und Patientinnen im Alter von über 40 Jahren mit einer auf einem Nikotinabusus beruhenden, mittel- bis schwerstgradigen chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit, was gemäss Einteilung der «Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease» (GOLD) den Sta­dien II bis IV zuzurechnen ist. In allen Studien wurde Roflumilast einmal täglich verabreicht. Als Notfallmedikament war jeweils ein kurzwirkendes Betamimetikum erlaubt. Was die Verwendung von anderen inhalativen Medikamenten betraf, war in jedem Studienprotokoll etwas anders formuliert: mehrheitlich liess sich zusätzlich ein kurzwirkendes Anticholinergikum verwenden, zum Teil waren auch langwirkende Betamimetika oder Steroide zugelassen.

In einer Dosisfindungsstudie mit 1411 Personen wurde Roflumilast in zwei Dosierungen (250 oder 500 mcg/Tag) geprüft. Nach 24 Wochen wurde die Erstsekundenkapazität (FEV1) nach Bronchodilatation ermittelt: gegenüber Placebo betrug die Differenz mit der niedrigeren Roflumilast-Dosis +74 ml, mit der höheren +97 ml. Auch die Lebensqualität wurde beurteilt, und zwar anhand des «St. George’s Respiratory Questionnaire», einem Fragebogen, mit dem auf einer Skala von 0 bis 100 pulmonale Symptome und die daraus resultierenden Einschränkungen im Alltag eingestuft werden; von der klinischen Bedeutung her werden 4 Punkte Unterschied als geringgradig, 8 Punkte als mittelmässig und 12 Punkte als substantiell betrachtet.(4) In dieser Studie sank die Punktezahl mit der niedrigeren Roflumilast-Dosis um 3,4, mit der höheren um 3,5 und mit Placebo um 1,8, was keine signifikante Differenz bedeutete.(5)

Bei 1513 Personen veränderte sich innerhalb eines Jahres der postbronchodilatatorische FEV1-Wert unter Roflumilast (500 mcg/Tag) im Vergleich zu Placebo signifikant. Ausserdem wurde die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen erfasst, die eine systemische Behandlung mit Steroiden oder eine Hospitalisation erforderten; sie betrug bei Roflumilast 0,86 Exazerbationen pro Personenjahr und bei Placebo 0,92, was nicht signifikant war.(6)

Im Zentrum der klinischen Erprobung standen zwei Studien, die sich ebenfalls über 1 Jahr erstreckten. Sie folgten demselben Protokoll und wurden gemeinsam veröffentlicht. Einbezogen wurden insgesamt 3091 Personen, bei denen die chronisch-obstruktive Lungenkrankheit mit Husten und Auswurf verbunden war und im vorangegangenen Jahr zu mindestens einer Exazerbation geführt hatte. Legte man die Resultate der beiden Studien zusammen, zeichnete sich folgendes Bild: Die Erstsekundenkapazität vor Inhalation eines Betamimetikums nahm mit Roflumilast (500 mcg/Tag) von 1010 auf 1050 ml zu und mit Placebo von 1020 auf 1011 ml ab. Exazerbationen mit Symptomen mittlerer bis starker Ausprägung zählte man bei Roflumilast 1,14 und bei Placebo 1,37 pro Personenjahr, was statistisch signifikant war (bei den zur Spitaleinweisung führenden Exazerbationen betrug der Unterschied 0,12 gegenüber 0,15 pro Personenjahr).(7)

In zwei Studien testete man Roflumilast in Kombination mit langwirkenden Bronchodilatatoren: in der einen (n=933) wurde Salmeterol (Serevent®, 2-mal 50 mcg/Tag) benutzt, in der anderen (n=743) Tiotropium (Spiriva®, 1-mal 18 mcg pro Tag). Abgesehen von kurzwirkenden Betamimetika für den Notfall waren keine anderen spezifischen COPD-Medikamente erlaubt. Die Veränderung der Erstsekundenkapazität, vor Inhalation eines Betamimetikums gemessen, wurde als primärer Endpunkt festgelegt. Nach 24 Wochen betrug sie mit der Kombination Roflumilast/Salmeterol +39 ml, mit Salmeterol allein −10 ml, mit der Kombination Roflumilast/Tiotropium +65 ml und mit Tiotropium allein −16 ml. Auch die Häufigkeit von COPD-Exazerbationen wurde erfasst, wobei sich zwischen Roflumilast- und Kontrollgruppe in beiden Studien kein signifikanter Unterschied abzeichnete.(8)

Unerwünschte Wirkungen

Bei den Nebenwirkungen von Roflumilast stehen gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Diarrhoe, Bauchschmerzen) im Vordergrund; dazu sind auch Appetit- und Gewichtsabnahme zu zählen, die in den ein Jahr dauernden Studien im Durchschnitt rund 2 kg erreichte.

Ferner sind unter Roflumilast Kopfschmerzen, Schwindel, Rückenschmerzen, grippeartige Beschwerden, Schlaflosigkeit, Nervosität, Angstzustände, Depressionen und in einzelnen Fällen Suizidalität beobachtet worden.

Bei Hamstern traten unter Roflumilast Karzinome der Nasenschleimhaut auf, die auf einem kanzerogenen Epoxid zu beruhen scheinen, das nach Abspaltung von Aminodichloropyridin vom Roflumilast-Molekül entstehen kann. Ob es sich um einen speziesspezifischen Effekt handelt oder ob diese Metaboliten auch beim Menschen in relevantem Ausmass entstehen können, ist nicht abschliessend geklärt.(1,2)

Interaktionen

Hemmer von CYP3A4 (gewisse Makrolide und Azol-Antimykotika) und von CYP1A2 (Fluvoxamin = Floxyfral® u.a.) führen zu einer erhöhten Exposition gegenüber Roflumilast und Roflumilast-N-Oxid. In Kombination mit potenten Zytochrom-Induktoren (Rifampicin, Carbamazepin usw.) ist mit einer verminderten Wirkung von Roflumilast zu rechnen.(1,3)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Roflumilast (Daxas®) wird als Tabletten zu 500 mg angeboten. Diese Dosis ist einmal pro Tag einzunehmen. Roflumilast ist vorgesehen als zusätzliche Behandlung bei chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit, wenn trotz inhalativer Medikamente häufig Exazerbationen auftreten; bei Asthma bronchiale ist das Mittel nicht zugelassen. Bis sich die Wirkung einstellt, kann es mehrere Wochen dauern.

Bei psychiatrischen Vorerkrankungen soll Roflumilast nur unter Abwägung der möglichen Risiken eingesetzt werden. Als Kontraindikationen gelten fortgeschrittene Leberinsuffizienz sowie Schwangerschaft und Stillzeit.

Roflumilast wird von den Krankenkassen vergütet und kostet monatlich CHF 78.55. Mit Theophyllin (600 mg/Tag), dem anderen oral verabreichten COPD-Medikament, ergibt sich ein Monatspreis von CHF 18.10.

Kommentar

Auf den ersten Blick mag man Roflumilast als hilfreiches Medikament bei schwerer COPD einschätzen, indem es eine Verbesserung der Erstsekundenkapazität und Verminderung der Exazerbationsrate verspricht. Bei genauerer Betrachtung kommt man aber zu einem nüchterneren Urteil. So hat bei der Erstsekundenkapazität der Unterschied zwischen Roflumilast und Placebo in keiner Studie den Wert von 120 ml erreicht, den Fachleute als klinisch relevant einstufen.(9) Um eine schwere und auf eine Hospitalisation hinauslaufende Exazerbation zu verhindern, müssen mindestens 30 Personen ein Jahr lang Roflumilast einnehmen. Man kann jedoch davon ausgehen, dass diese «number needed to treat» bei optimal behandelten COPD-Patienten und -Pa­tientinnen höher ausfallen wird; denn Roflumilast ist bislang nicht bei Personen untersucht wurden, die unter einer ausgebauten inhalativen Therapie mit langwirkenden Bronchodilatatoren und einem Steroid standen. Für eine umfassende Beurteilung fehlt auch ein Vergleich mit Theophyllin, das die Alternative zu Roflumilast darstellen würde.(9) Dass unter den Nebenwirkungen nicht nur subjektiv störende auffallen, sondern – mit dem häufigen Gewichtsverlust oder den möglichen psychiatrischen Problemen – auch solche, die aus objektiver Sicht Bedenken erwecken, bestärkt den Eindruck, dass Roflumilast eher beiseitezulassen sei.

Standpunkte und Meinungen

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Roflumilast (10. Juli 2012)
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pharma-kritik, 34/No. 4
PK875
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