Behandlung des Mammakarzinoms

Seit sich die «pharma-kritik» zuletzt mit dem Mammakarzinom befasst hat,(1) haben sich die deutlichsten Veränderungen bei der adjuvanten Therapie ergeben. Eine wesentliche Grundlage für die adjuvante Behandlung wird dadurch gebildet, ob der Tumor Hormonrezeptoren und den Wachstumsfaktor HER2 (siehe unten) exprimiert. Ferner sind Menopausenstatus, Alter, histologische und manchmal auch molekularbiologische Merkmale zu berücksichtigen. Umfassende Informationen zur Mammakarzinom-Behandlung sind neulich durch das amerikanische «National Comprehensive Cancer Network»(2) und die «European Society for Medical Oncology»(3) publiziert worden.

In-situ-Karzinome

Beim lobulären In-'situ-Karzinom (oder «lobulärer Neoplasie» laut heutiger Bezeichnung) handelt es sich nicht um eine Karzinomvorstufe, sondern lediglich um einen Risikofaktor, wonach mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 15% mit einem invasiven Karzinom zu rechnen ist. Als Vorgehen bietet sich entweder eine abwartende Haltung mit regelmässigen Kontrollen oder eine medikamentöse Prophylaxe zum Beispiel mit Tamoxifen (Nolvadex® u.a.) an.

Das duktale In-'situ-Karzinom hingegen kann direkt in ein invasives Karzinom übergehen, weshalb zur Exzision geraten wird, wobei – abhängig von den histologischen Charakteristika – allenfalls eine adjuvante Radio- und medikamentöse Therapie (z.B. mit Tamoxifen) empfohlen ist.(4)

Karzinome im Frühstadium

Karzinome im Frühstadium umfassen diejenigen invasiven Tumoren, die – als Faustregel – die Grenzen von Brustgewebe und axillären Lymphknoten nicht überschritten haben. Am Anfang der Behandlung steht die Operation, meistens gefolgt von einer Bestrahlung und medikamentösen Behandlung.

Operation und Bestrahlung

Bevorzugtes Verfahren ist die brusterhaltende Operation mit einer anschliessenden Radiotherapie. Voraussetzungen sind, dass der Tumor eine gewisse Grösse nicht überschreitet und keine Kontraindikation für die Bestrahlung besteht. Die Mastektomie ist die Alternative, wenn die brusterhaltende Operation nicht in Frage kommt. Beide Methoden sind hinsichtlich Überlebenswahrscheinlichkeit gleichwertig.

Bei der Untersuchung der axillären Lymphknoten stützt man sich – sofern sie klinisch oder sonographisch als unauffällig beurteilt werden – in der Regel auf die «Sentinel»-Methode, die prognostisch keine Nachteile erwarten lässt.(5) Eine vollständige Axillaausräumung ist dann nur noch nötig, wenn in den sogenannten Wächter-Lymphknoten ein bestimmtes Aus­mass an Tumorbefall festgestellt wurde. In gewissen Fällen kann sogar bei befallenen Wächter-Lymphknoten auf die Axillaausräumung verzichtet werden, wie eine Studie zeigte: bei Patientinnen, die keine palpablen Lymphknoten und höchstens zwei positive «Sentinel»-Lympknoten aufgewiesen hatten, fand sich keine Einschränkung der Überlebenszeit, wenn auf die Axillaausräumung verzichtet worden war.(6)

Die Bestrahlung nach brusterhaltender Operation senkt das Risiko eines Lokalrezidivs und führt zu einer leichten Verbesserung der Lebenserwartung.(7) Auch nach einer Mastektomie wird zu einer Radiotherapie geraten, falls eine gewisse Zahl axillärer Lymphknoten befallen oder der Tumor grösser als 5 cm ist. Bei über 70-'Jährigen ist die Radiotherapie von geringerem Nutzen und scheint keinen Effekt mehr auf die Überlebenswahrscheinlichkeit zu haben.

Adjuvante endokrine Therapie

Eine adjuvante endokrine Therapie ist immer indiziert, wenn der Tumor positive Hormonrezeptoren aufweist. Einzig bei kleinen, nodal negativen Tumoren kann man sie unter Umständen weglassen. Von der «Early Breast Cancer Trialists’ Collaborative Group» (EBCTCG) sind nachgeführte Daten publiziert worden, die den Effekt der adjuvanten Behandlung mit Tamoxifen darlegen: bei positiven Östrogenrezeptoren vermindert eine 5-'jährige Tamoxifen-Behandlung nach 15-'jähriger Beobachtungszeit das Risiko eines Rückfalls von 40 auf 26% und die Brustkrebs-bedingte Sterblichkeit von 25 auf 18%; bei der Gesamtmortalität ergab sich eine Abnahme des relativen Risikos um 22%. Ein Nutzen von Tamoxifen findet sich – mit gewissen Unterschieden – sowohl bei prä- wie bei postmenopausalen Frauen und unabhängig vom Lymphknotenstatus.(8)

Die Wirkung von Tamoxifen beruht auf seinen Metaboliten, die durch CYP2D6 und andere Zytochrome gebildet werden. Es scheint, dass Tamoxifen bei Frauen mit erniedrigter CYP2D6-Aktivität («poor metabolizers») etwas weniger nützt; der Unterschied zu Frauen mit normaler Enzymfunktion ist indessen gering und nicht signifikant.(9) Eine routinemässige Bestimmung der CYP2D6-Aktivität vor einer Tamoxifen-Behandlung wird deshalb nicht empfohlen. Indessen sollte man Tamoxifen nicht mit starken CYP2D6-Hemmern kombinieren, wozu hauptsächlich gewisse Antidepressiva gehören wie Fluoxetin (Fluctine® u.a.), Paroxetin (Dero­xat® u.a.), Duloxetin (Cymbalta®) oder Bupropion (Wellbutrin®, Zyban®).

In der Prämenopause kann man auch die Ovarialfunktion unterdrücken, üblicherweise mit einem GnRH-Agonisten. Diese Substanzen lassen sich als gleich wirksam einschätzen wie Tamoxifen. Ein weitere Variante ist die Kombina­tion von GnRH-Agonist und Tamoxifen, was einer Metaanalyse zufolge einen minimalen, statistisch nicht signifikanten Prognosevorteil verspricht.(10)

In der Postmenopause scheint es günstig zu sein, wenn die endokrine Therapie einen Aromatasehemmer wie Anastrozol (Arimidex® u.a.), Letrozol (Femara® u.a.) oder Exemestan (Aromasin® u.a.) umfasst. Ob sich diese drei Substanzen in der Wirksamkeit unterscheiden, bleibt offen, da bislang keine Resultate von Direktvergleichen vorhanden sind. Für die Behandlung in der Prämenopause sind Aromatasehemmer nicht geeignet, da die ovarielle Östrogenproduktion sekundär aktiviert wird. Mit Aromatasehemmern wurden verschiedene Szenarien untersucht: (1) die 5-'jährige Verabreichung eines Aromatasehemmers anstelle von Tamoxifen, (2) eine 5-'jährige Behandlung, bei der sequentiell über je 2 bis 3 Jahre sowohl Tamoxifen als auch ein Aromatasehemmer eingesetzt wurden und (3) eine Verlängerung der endokrinen Behandlung, indem man nach 5 Jahren mit Tamoxifen weitere 3 bis 5 Jahre mit einem Aromatasehemmer anfügte. Mit allen Varianten vermindert sich im Vergleich zur Tamoxifen-Monotherapie die Rückfallwahrscheinlichkeit; möglicherweise wird auch die Gesamtmortalität verbessert, was sich aber noch nicht abschliessend beurteilen lässt.(11,12) Eine Studie, die vier verschiedene Abfolgen getestet hat – 5 Jahre Tamoxifen, 2 Jahre Tamoxifen gefolgt von 3 Jahren Letrozol, 2 Jahre Letrozol gefolgt von 3 Jahren Tamoxifen oder 5 Jahre Letrozol – ist die BIG-'1-'98-Studie. Sie ist die einzige, die bei der Gesamtüberlebensrate einen kleinen, aber signifikanten Vorteil des Aromatasehemmers gegenüber Tamoxifen festhalten konnte (85% gegenüber 81% beim 8-'Jahresergebnis); keinen signifikanten Unterschied beobachtete man zwischen der Letrozol- und den beiden sequentiell behandelten Gruppen.(13)

Was massgebliche Nebenwirkungen anbelangt, werden durch Tamoxifen häufiger Venenthrombosen und Endometriumkarzinome hervorgerufen, durch Aromatasehemmer häufiger Knochenfrakturen und kardiovaskuläre Ereignisse (mit Ausnahme von zerebrovaskulären Vorfällen).(14) Wegen des erhöhten Frakturrisikos empfiehlt man Frauen unter Aromatasehemmern eine Kalzium- und Vitamin-'D-Einnahme sowie periodische Kontrollen der Knochendichte;(15) gegebenenfalls kann auch eine antiresorptive Therapie angezeigt sein.

Adjuvante Chemotherapie

Eine adjuvante Chemotherapie wird empfohlen, wenn ungünstige Prognosefaktoren vorliegen bzw. wenn davon auszugehen ist, dass der Tumor auf eine alleinige endokrine Therapie ungenügend anspricht. Bei positiven Hormonrezeptoren kann eine molekularbiologische Untersuchung zusätzliche Informationen liefern, ob neben der endokrinen eine Chemotherapie sinnvoll ist: Brustkrebszellen können nach ihrem Genexpressions-Profil in prognostisch verschiedene Untergruppen eingeteilt werden; mit solchen Tests wie MammaPrint® oder Oncotype® DX werden bestimmte Gene analysiert, woraus eine Aussage über das Rückfallrisiko abgeleitet wird. Prospektiv validiert sind diese Tests jedoch nicht. Mammakarzinome, bei denen man ausschliesslich eine Chemotherapie anbieten kann, sind die sogenannten «Triple-negative»-Tumoren, die weder Östrogen- oder Progesteronrezeptoren noch HER2 exprimieren.

Insgesamt vermindert eine adjuvante Chemotherapie signifikant die Rückfallwahrscheinlichkeit und Mortalität, und zwar unabhängig vom Hormonrezeptorstatus, der Anzahl der befallenen Lymphknoten und dem Alter; absolut gesehen hängt der Effekt aber vom Ausgangsrisiko ab. Bei Frauen mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren, bei denen eine endokrine Therapie möglich ist, oder im Alter von über 70 Jahren fällt der absolute Nutzen der Chemotherapie zum Beispiel geringer aus. Andererseits scheinen Frauen in der Prämenopause mit Hormonrezeptor-positiven Tumoren von einer zusätzlichen, indirekten Wirkung der Chemotherapie profitieren zu können, die auf der Suppression der Ovarfunktion beruht.

Eine aktualisierte EBCTCG-Analyse zeigt, dass eine Chemotherapie – basierend auf dem «klassischen» Schema mit Cyclophosphamid (Endoxan®), Methotrexat und Fluorouracil – das relative Sterberisiko um 16% reduziert. Als gleich wirksam ist das vier Zyklen umfassende Zweierschema mit Doxorubin (Adriblastin® u.a.) und Cyclophosphamid einzustufen. Erhöht man die kumulative Anthrazyklindosis, sinkt das relative Sterberisiko nach 10 Jahren nochmals um 16%. Alternativen zu hochdosierten Anthrazyklinen sind die beiden Taxane Paclitaxel (Taxol® u.a.) und Docetaxel (Taxotere® u.a.). Die Kombination von Anthrazyklin und Taxan ist ebenso wirksam wie eine Chemotherapie, die im Vergleich dazu auf die doppelte Kumulativdosis des Anthrazyklins baut.(16) Welche Zytostatika man schliesslich wählt, muss individuell entschieden werden; eine Zuteilung, die einzelne Chemotherapie-Schemen mit bestimmten Risikokonstellationen verbindet, existiert nicht.

Adjuvante Behandlung mit Trastuzumab

Trastuzumab (Herceptin®) ist ein monoklonaler Antikörper, der das HER2-Molekül («human epidermal growth factor receptor 2») blockiert, einen transmembranären Rezeptor, dessen Aktivierung die Zellproliferation fördert. Bei 20 bis 30% der Mammakarzinome wird HER2 von den Tumorzellen verstärkt exprimiert (oder ist in den Tumorzellen in mehr als zwei Gen-Kopien vorhanden), was eine schlechtere Prognose bedeutet. Bei der Abklärung des HER2-Status gibt es labormedizinische Vorgaben, die erfüllt sein müssen, damit man die Behandlung darauf abstützen darf.

Trastuzumab (das in den Studien mehrheitlich über ein Jahr verabreicht wurde) verbessert bei HER2-positiven Tumoren die Prognose signifikant – wobei es bei der adjuvanten Behandlung nur in Kombination mit einer Chemotherapie geprüft und zugelassen ist. Die Verbesserung drückt sich beim krankheitsfreien Überleben in einer «Odds ratio» von 0,69 (95%-Vertrauensintervall = 0,59 bis 0,80) und bei der Gesamtmortalität von 0,78 (0,68 bis 0,90) aus.(17)

Die Hauptsorge bei Trastuzumab gilt der Kardiotoxizität. So verdoppelt das Medikament das Risiko einer asymptomatischen Verschlechterung der linksventrikulären Funktion auf 7,5% und vervierfacht das Risiko einer eigentlichen Herz­insuffizienz auf 1,9%. Ein signifikanter Unterschied ergibt sich aber nur bei Frauen, die auch mit einem Anthrazyklin behandelt worden sind.(18)

Adjuvante Behandlung mit Bisphosphonaten

Zur Frage, ob Bisphosphonate bei der adjuvanten Behandlung dienlich wären, ist jüngst eine grosse Studie publiziert worden: Über 3000 Frauen mit einem Mammakarzinom erhielten während 5 Jahren wiederkehrende Infusionen mit 4 mg Zoledronat (Zometa®) oder keine weitere Behandlung. Sowohl beim krankheitsfreien Überleben wie bei der Gesamtmortalität unterschieden sich die Zoledronat- und die Kontrollgruppe nicht signifikant. Daraus wurde der Schluss gezogen, dass in der adjuvanten Therapie den Bisphosphonaten kein fester Platz zukomme.(19)

Lokal fortgeschrittene Karzinome

Tumoren, die auf die Brustwand oder Haut übergegriffen haben oder bei denen eine ausgedehnte Metastasierung in die regionären Lymphknoten vorliegt, müssen meistens mit einer – neoadjuvanten – Chemotherapie vorbehandelt werden, ehe die definitive Operation und die weitere Nachbehandlung mit Bestrahlung und Medikamenten stattfinden kann. Bei der Operation wird im Prinzip auf die Mastektomie gesetzt, bei gutem Ansprechen auf die neoadjuvante Chemotherapie kann auch ein brusterhaltender Eingriff erwogen werden.

Metastasierende Karzinome

Bei metastasierenden Mammakarzinomen handelt es sich meistens um Rückfälle von bereits behandelten Tumoren. Sie sind im Allgemeinen nicht mehr heilbar, und das Ziel besteht darin, mit möglichst nebenwirkungsarmen Massnahmen Beschwerden zu lindern; man erhofft sich auch einen Gewinn bei der Überlebenszeit, wobei dieser Effekt bei einer Zweit- oder Drittlinientherapie höchstens marginal ausfallen wird.(20)

Eine endokrine Therapie hat Vorrang, wenn positive Hormonrezeptoren vorhanden sind und sich die Metastasen auf Knochen oder Weichteile beschränken. Ein Ansprechen ist umso wahrscheinlicher, je länger das rückfallfreie Intervall gedauert hat. Bei gegebener Indikation liegt der Vorteil der endokrinen gegenüber der zytostatischen Therapie in der länger anhaltenden Wirkung und den meist geringeren Nebenwirkungen; ein Nachteil kann der langsamere Wirkungseintritt (6 bis 8 Wochen) sein. Auch im metastasierenden Stadium ist Tamoxifen das am besten dokumentierte Medikament. In der Prämenopause besteht die Alternative in der Unterdrückung der Ovarialfunktion (eventuell in Kombination mit Tamoxifen), in der Postmenopause in einem Aromatasehemmer, der gegenüber Tamoxifen wahrscheinlich einen gewissen Überlebensvorteil bietet.(21) Eine weitere Option ist Fulvestrant (Faslodex®), das sich mit hoher Affinität an Östrogenrezeptoren bindet. In seiner Wirksamkeit scheint es sich mit anderen endokrinen Behandlungen messen zu können.(22) Als Letztes kommen direkt Hormone wie zum Beispiel Medroxyprogesteron (Farlutal®) in Frage.

Eine Chemotherapie ist nahezulegen, wenn sich Metastasen in viszerale Organe (Lunge, Leber) ausgebreitet haben, wenn rasches Metastasen-Wachstum Dringlichkeit gebietet oder wenn von einer endokrinen Behandlung keine Wirkung mehr zu erwarten ist. Die Wahl der Zytostatika hängt davon ab, ob bereits eine Chemotherapie stattgefunden hat. In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass gegenüber bereits verwendeten Substanzen eine gewisse Resistenz vorhanden ist, und zwar umso ausgeprägter, je näher diese Chemotherapie zurückliegt. Prinzipiell wählt man dieselben Medikamente wie bei der adjuvanten Therapie, also in erster Linie Anthrazykline, Taxane und bei HER2-positiven Tumoren Trastuzumab (in der Regel kombiniert mit Zytostatika). Gewisse Zytostatika kommen nur im metastasierenden Stadium zum Einsatz; zwei Beispiele, bei denen sich auch die Möglichkeit der oralen Verabreichung als vorteilhaft erweisen kann, sind Capecitabin (Xeloda®) und Vinorelbin (Navelbine®). Die Reihenfolge der eingesetzten Substanzen ist arbiträr. Man kennt beim metastasierenden Mammakarzinom keine spezifische Chemotherapie, die in Bezug auf die Überlebenszeit einen dokumentierten Vorteil erwarten lässt; ebenso ist es unsicher, ob Kombinationen besser helfen als Monotherapien. Selbst eine Hochdosis-Chemotherapie mit Rücktransfusion von autologen Stammzellen, eine toxische und belastende Behandlung, vermag die Gesamtprognose nicht zu verbessern.

Neben den eigentlichen Zytostatika stehen noch andere Substanzen zur Verfügung. Lapatinib (Tyverb®), ebenfalls ein HER2-Hemmer, lässt sich bei zytostatisch vorbehandelten und HER2-positiven Tumoren in Kombination mit Capecitabin einsetzen; damit kann man – im Vergleich zu einer Behandlung ohne Lapatinib – das krankheitsfreie Überleben und vermutlich auch die Überlebenszeit verbessern.(23) Bei Bevacizumab (Avastin®), einem gegen den «vascular endothelial growth factor» (VEGF) gerichteten monoklonalen Antikörper, ist kontrovers, ob der Nutzen klinisch relevant ist. Zwar verbessert Bevacizumab signifikant das krankheitsfreie Überleben, hat aber keinen Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit.(24) Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Bevacizumab potentiell tödliche Nebenwirkungen verursachen kann (Infektionen, kardiovaskuläre Ereignisse u.a.),(25) haben die Arzneimittelbehörden in den USA und Kanada mittlerweile entschieden, das Mammakarzinom aus der Indikationenliste von Bevacizumab zu streichen.

Bei Knochenmetastasen verhindern bzw. verzögern Bisphosphonate das Auftreten von entsprechenden Komplikationen (Frakturen, Hyperkalzämie u.a.) und unterstützen die Schmerzlinderung. In der Regel wird auf intravenös verabreichte Bisphosphonate zurückgegriffen, die man in 3- bis 4-'wöchigem Abstand infundiert. Allerdings ist nicht untersucht, wie häufig und wie lange man Bisphosphonate geben soll. Angesichts der langen Wirkzeit zum Beispiel von Zoledronat genügen möglicherweise grössere Intervalle. Die wichtigsten Nebenwirkungen der Bisphosphonate sind Kieferknochennekrosen oder Nierenfunktionsstörungen. Eine Alternative zu den Bisphosphonaten ist Denosumab (als Xgeva®), das bei der Verhütung von skelettalen Komplikationen mindestens so wirksam zu sein scheint.(26)

Radioonkologische oder chirurgische Massnahmen können sich bei isolierten Metastasen und anderen lokalen Tumorproblemen als hilfreich erweisen.

Schlussfolgerungen

Bei der primären Behandlung des Mammakarzinoms haben die brusterhaltende Operation und die Radiotherapie schon lange einen sicheren Platz. Auch die Lymphknoten-Untersuchung mit Hilfe der «Sentinel»-Methode kann man als Standard bezeichnen.

Der Hormonrezeptor- und HER2-Status bilden die erste Weiche, welche die Wahl der medikamentösen adjuvanten Behandlung beeinflusst. Bei der endokrinen Therapie in der Postmenopause gelten die Aromatasehemmer als Massstab, wobei die «ideale» Therapie nicht endgültig festgelegt ist. Es gibt Fachleute, welche die 5-'jährige Behandlung mit einem Aromatasehemmer favorisieren, insbesondere bei höherem Rückfallrisiko. In vielen Fällen kann aber die sequentielle Behandlung (Aromatasehemmer gefolgt von Tamoxifen oder umgekehrt) als gleichwertige und kostengünstigere Variante angesehen werden, und selbst die Tamoxifen-Monotherapie darf man bei günstiger Prognose als angemessen stehenlassen.

Um zu entscheiden, ob eine adjuvante Chemotherapie nötig ist, wird verstärkt auf die biologischen Eigenschaften des Tumors und das individuelle Risikoprofil geachtet; in besonderem Mass trifft das auf die Hormonrezeptor-positiven und HER2-negativen Tumoren zu. Auch bei der Wahl der Chemotherapie helfen prognostische Faktoren: während bei günstigen Voraussetzungen eine Zweierkombination mit Doxorubicin/Docetaxel plus Cyclophosphamid als genügend erscheinen kann, sollte bei höherem Rückfallrisiko eine Chemotherapie mindestens aus einer Dreierkombina­tion mit einem höherdosierten Anthrazyklin oder einem Taxan bestehen; dazu wird bei HER2-positiven Tumoren zu Trastuzumab geraten. Die Kehrseite ist, dass mit einer Ausweitung der Therapie vermehrte und auch längerfristige Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen sind.

Beim metastasierenden Mammakarzinom soll man sich auf Medikamente konzentrieren, die möglichst nebenwirkungsarm sind und eine gute Symptomlinderung oder dokumentierte Überlebensverlängerung versprechen.

Die Nachsorge bei Frauen mit einem kurativ behandelten Mammakarzinom kann sich auf regelmässige klinische Untersuchungen und – zumindest bis im Alter von 70 Jahren – regelmässige Mammographien beschränken. Zu achten ist auch auf mögliche Therapiefolgen. Bei asymptomatischen Patientinnen werden keine routinemässigen Laborkontrollen (Tumormarker, Leberwerte u.a.) oder radiologische Untersuchungen empfohlen, auch weil bislang kein Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit nachgewiesen ist.(2,3)

Literatur

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  26. 26) Stopeck AT et al. J Clin Oncol 2010; 28: 5132-9

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung des Mammakarzinoms (24. April 2012)
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