Denosumab

Denosumab (Prolia®) ist ein Osteoklasten-Hemmer, der zur Behandlung der Ostoporose empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Auf den Osteoklasten und ihren Vorläuferzellen findet sich ein membranständiger Rezeptor, der mit der Abkürzung RANKReceptor Activator of Nuclear factor-Kappa B») bezeichnet wird. Stimuliert wird der RANK-Rezeptor durch den sogenannten RANK-Liganden (RANKL), ein Protein, das aus Osteoblasten, TLymphozyten und gegebenenfalls aus Tumorzellen stammt und zur Familie der Tumornekrosefaktoren gehört. Setzt sich der RANK-Ligand am RANK-Rezeptor fest, wird eine Kaskade von Signalen ausgelöst, welche die Bildung und Aktivierung von Osteoklasten anregt.

Denosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper des Subtyps IgG2, der sich an den RANK-Liganden bindet, ihn inaktiviert und schliesslich zu einer Verlangsamung des Knochenabbaus führt. Denosumab imitiert gleichsam den Effekt von Osteoprotegerin, ebenfalls einem von Osteoblasten gebildeten Tumornekrosefaktor. Osteoprotegerin wirkt, den RANK-Liganden blockierend, als dessen physiologischer Gegenspieler, und das Verhältnis zwischen Osteoprotegerin und dem RANK-Liganden hat eine wichtige Bedeutung bei der Regulation der knochenabbauenden Prozesse.(1-3)

Pharmakokinetik

Nach subkutaner Verabreichung von Denosumab dauert es relativ lange, bis die Plasmaspitzenkonzentration erreicht ist; als minimale Frist werden 5 Tage und als maximale 42 Tage angegeben. Die biologische Verfügbarkeit liegt bei 61%. Der Abbau von Denosumab erfolgt vermutlich wie bei anderen Antikörpern, so zum Beispiel über das retikulo-endotheliale System. Die Halbwertszeit bewegt sich in der Grössenordnung von 30 Tagen. Eine Nieren- oder Leberinsuffizienz lässt keine Verzögerung der Elimination erwarten.(1-3)

Klinische Studien

Verschiedene Denosumab-Dosen und -Verabreichungsintervalle wurden in einer placebokontrollierten Dosisfindungsstudie untersucht. Es zeigte sich, dass die dreimonatliche Gabe von 30 mg und die sechsmonatliche Gabe von 60 mg die beste Wirkung in Bezug auf die Knochendichte versprechen,(4) so dass die sechsmonatliche subkutane Injektion von 60 mg für die weiteren klinischen Studien als Standarddosierung bestimmt wurde.

Die Ergebnisse von drei grossen placebokontrollierten Doppelblindstudien bildeten die Grundlage der Anwendungsgebiete, für die Denosumab zugelassen ist. In diesen Untersuchungen wurden neben den Prüfsubstanzen jeweils auch Calcium (mindestens 1000 mg/Tag) und Vitamin D (mindestens 400 E/Tag) verschrieben.

In der ersten Studie erhielten 7808 Frauen im Alter zwischen 60 und 90 Jahren mit einer postmenopausalen Osteoporose (TWert zwischen –2,5 und –4,0) drei Jahre lang Denosumab oder Placebo. Denosumab bewirkte eine signifikante Zunahme der Knochendichte, was sich in einer verminderten Frakturrate äusserte: die Zahl neuer Wirbelkörperfrakturen – der primäre Endpunkt – betrug in der Denosumab-Gruppe 2,3% und in der Placebo-Gruppe 7,2%; Unterschiede zugunsten von Denosumab ergaben sich auch bei den nicht-vertebralen Frakturen (6,5% gegenüber 8,0%) bzw. den Hüftfrakturen (0,7% gegenüber 1,2%).(5)

Die zweite Studie befasste sich mit 245 an Brustkrebs erkrankten Frauen, die einer adjuvanten endokrinen Therapie mit den Aromatasehemmern Anastrozol (Arimidex®), Letrozol (Femara®) oder Exemestan (Aromasin®) zugeführt wurden, also einer Behandlung, die mit einem vermehrten Knochenabbau verbunden ist. Unter Denosumab nahm die an der Lendenwirbelsäule gemessene Knochendichte innerhalb eines Jahres um 4,8% zu, unter Placebo dagegen um 0,7% ab; nach zwei Jahren bestimmt, war die Differenz mit einem Absolutwert von 7,6% noch etwas grösser. Wirbelfrakturen traten während der Studie keine auf; nicht-vertebrale Frakturen, die von der Lokalisation her als osteoporosebedingt einzuschätzen waren und denen kein gravierendes Trauma zugrunde lag, ereigneten sich in beiden Gruppen bei acht Frauen. Allerdings besass diese Studie zu wenig «Power», um einen Unterschied in der Frakturrate zu dokumentieren.(6)

Die dritte Studie fand bei 1468 Männern mit einem Prostatakarzinom statt, bei denen man sich zu einer Androgen-entziehenden Massnahme entschlossen hatte in Form einer beidseitigen Orchiektomie oder der Verabreichung eines Gonadotropin-Agonisten. Die Knochendichte nach zwei Jahren – der primäre Endpunkt – hatte sich in der Denosumab-Gruppe um 5,6% verbessert, während sie sich in der Placebo-Gruppe um 1,0% verschlechtert hatte. Bei Studienabschluss nach drei Jahren wurden auch die Frakturraten ermittelt: Neue Wirbelfrakturen hatten unter Denosumab 1,5% der Männer erlitten, unter Placebo 3,9%; die Gesamtfrakturrate betrug 5,2% bzw. 7,2%.(7)

In einigen Studien fand bei postmenopausalen Frauen auch ein Vergleich mit einem Bisphosphonat statt, und zwar indem man bei Denosumab und Alendronat (Fosamax® u.a.) die Veränderung der Knochendichte ermittelte. Die grösste Untersuchung umfasste 1189 Frauen, die eine verminderte Knochendichte aufwiesen (TWert am proximalen Femur oder an der Lendenwirbelsäule von höchstens –2,0). Diese Frauen erhielten doppelblind Denosumab oder Alendronat (70 mg wöchentlich). Im Laufe eines Jahrs nahm die Knochendichte am proximalen Femur in der Denosumab-Gruppe um 3,5% zu und in der Alendronat-Gruppe um 2,6%. Das «Noninferiority»-Kriterium, das die Ausgangslage gebildet hatte, war für Denosumab somit erfüllt.(8)

Daten aus den klinischen Studien lassen annehmen, dass sich die Wirkung von Denosumab nach Absetzen relativ bald verliert und die Knochendichte binnen eines Jahres wieder auf den Ausgangswert fällt.(3)

Unerwünschte Wirkungen

Als häufigste Nebenwirkungen von Denosumab werden Kopf-, Gelenk-, Rücken- und Extremitätenschmerzen, Nasopharyngitis und andere Infektionen sowie Müdigkeit genannt. Berichtet wurde ferner über Hypokalzämie und sowohl Hypo- wie Hyperphosphatämie. Es sind einzelne Fälle von Kieferknochennekrosen vorgekommen, was man auch als Nebenwirkung der Bisphosphonate kennt. In einem geringen Prozentsatz wurden Antikörper gegen Denosumab nachgewiesen, was theoretisch eine verminderte Wirkung möglich erscheinen lässt. In der Studie mit den Prostatakarzinom-Patienten zählte man unter Denosumab mehr Fälle von Katarakten als unter Placebo; ob es sich dabei um einen kausalen Zusammenhang handelt, ist nicht klar.(1,3)

Interaktionen

Es sind keine Interaktionen mit Denosumab dokumentiert.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Denosumab (Prolia®) ist als Fertigspritze zu 60 mg erhältlich und wird alle 6 Monate subkutan verabreicht. Gemäss Zulassung kann das Mittel verwendet werden bei postmenopausaler Osteoporose und zur Osteoporose-Prophylaxe bei Frauen mit Brustkrebs, die Aromatasehemmer erhalten, sowie bei Männern mit Prostatakrebs, die via Androgenentzug behandelt werden. Während der Schwangerschaft und Stillzeit sollte Denosumab nicht eingesetzt werden.

Denosumab ist kassenzulässig (wobei die Krankenkassen bei der Osteoporosebehandlung einen TWert unter –2,5 oder eine Fraktur voraussetzen) und kostet mit zwei Spritzen 717 Franken pro Jahr. Zum Vergleich: Mit dem kostengünstigsten Generikum von Alendronat (wöchentlich 70 mg per os; Original: Fosamax®) kann man für knapp 287 Franken ein Jahr lang behandeln. Für andere Bisphosphonate liegen die reinen Medikamentenpreise allerdings auch relativ hoch: für Zoledronat (Aclasta®, jährlich einmal 5 mg i.v.) bei 666 Franken und für Ibandronat (Bonviva®, dreimonatlich 3 mg i.v. bzw. monatlich 150 mg per os) bei 619 Franken. Risedronat (Actonel®, wöchentlich 35 mg per os) ist sogar teurer (rund 730 Franken).

Kommentar

Man kann annehmen, dass Denosumab den Knochenabbau in ähnlichem Mass bremst wie Bisphosphonate. Trotzdem lassen sich kaum überzeugende Gründe finden, um einer Denosumab-Behandlung das Wort zu reden. Insbesondere sind die Auswirkungen einer längerfristigen Behandlung – wie sie zwangsläufig nötig ist, da der Effekt von Denosumab nach dem Absetzen bald verlorengeht – noch weniger klar als bei den Bisphosphonaten. Zum Beispiel sind Bedenken, dass eine Hemmung des RANK-Liganden nicht nur den Knochenstoffwechsel, sondern auch andere physiologische Vorgänge beeinflusst, nicht mit endgültiger Sicherheit ausgeräumt.

Auch dass man Denosumab zum Beispiel für Leute empfehlen könnte, bei denen unter einer Bisphosphonat-Behandlung eine Fraktur aufgetreten ist, lässt sich anhand der vorliegenden Daten nicht unterstützen, da das Mittel nicht gezielt bei sogenanntem «Bisphosphonat-Versagen» geprüft worden ist.

Standpunkte und Meinungen

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Denosumab (28. Februar 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 11
PK787
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