Tacrolimus und Pimecrolimus
- Autor(en): Etzel Gysling, Bettina Tamborrini
- pharma-kritik-Jahrgang 25
, Nummer 5, PK74
Redaktionsschluss: 5. Juli 2003
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2003.74 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Tacrolimus (Protopic®) und Pimecrolimus (Elidel®) werden in Form von Salbe bzw. Crème zur Behandlung der Neurodermitis empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Tacrolimus ist unter der Bezeichnung Prograf® als immunsuppressiv wirkendes Medikament – beispielsweise zur Anwendung nach einer Nierentransplantation – bekannt. Tacrolimus und Pimecrolimus gehören zur Wirkstoffgruppe der Makrolaktame; beide leiten sich – wie auch Ciclosporin (Sandimmun® u.a.) – von Pilzen ab. Pimecrolimus unterscheidet sich in seiner Struktur nur sehr wenig von Tacrolimus, weist jedoch eine höhere Lipophilie als das letztere auf. Diese Substanzen sind Kalzineurinhemmer: sie binden sich im Zytoplasma der T-Zellen an ein spezifisches Protein; dieser Komplex bindet sich sodann an die Phosphatase Kalzineurin, was eine Hemmung der Synthese von entzündungsfördernden Zytokinen zur Folge hat.(1) Ausserdem reduzieren beide Substanzen die Freisetzung von Histamin aus Mastzellen. Weder Tacrolimus noch Pimecrolimus führt zu einer Hautatrophie.
Pharmakokinetik
Beide Wirkstoffmoleküle penetrieren vor allem in die ekzematös veränderte Haut, jedoch kaum in die gesunde Haut. Dank ihrer Lipophilie bleiben die Wirkstoffe grösstenteils in der Haut und werden kaum in den Kreislauf aufgenommen. In der Haut konnte kein Metabolismus nachgewiesen werden; die sehr geringen Mengen an Wirkstoff, die nach regelmässiger Anwendung in den Kreislauf gelangen, werden in der Leber über das Zytochrom-Isoenzym CYP3A4 metabolisiert. In Tierversuchen, bei denen die beiden Medikamente subkutan verabreicht wurden, waren deutlich höhere Pimecrolimus- Dosen notwendig, um eine systemische Immunsuppression hervorzurufen.
Klinische Studien
Tacrolimus
In einer Doppelblindstudie wurden bei 351 Kindern zwei Tacrolimus-Salben (0,03% und 0,1%) während 12 Wochen mit der Salbengrundlage (ohne Wirkstoff) verglichen. Die Kinder waren 2 bis 15 Jahre alt (Mittel: 6 Jahre), hatten ein mittelschweres bis schweres konstitutionelles Kinderekzem und wurden zweimal täglich behandelt. Tacrolimus beeinflusste die Krankheitssymptome signifikant besser: am Ende der Behandlung war eine Besserung «um mindestens 90%» bei 36% (0,03%-Salbe) bzw. bei 41% (0,1%-Salbe) gegenüber nur bei 7% der mit der Salbengrundlage Behandelten erreicht.(2)
Zwei sehr ähnliche Doppelblindstudien wurden bei Erwachsenen mit einer disseminierten Neurodermitis durchgeführt. Auch in diesen Studien wurden die beiden Tacrolimus-Salben mit der Salbengrundlage verglichen. Nach 12 Wochen liess sich bei 28% (0,03%-Salbe), bei 37% (0,1%-Salbe), jedoch nur bei 7% der Vergleichsgruppe eine mindestens 90%ige Besserung des Hautstatus beobachten. Tacrolimus reduzierte das Ausmass der betroffenen Hautbezirke wie auch den Juckreiz signifikant. Die höhere Tacrolimus-Konzentration schien sich besonders bei Personen mit ausgeprägten und ausgedehnten Hautveränderungen besser als die niedrigere Konzentration auszuwirken.(3)
In einer nur 3 Wochen dauernden Doppelblindstudie sind beide Tacrolimus-Salben bei 560 Kindern mit einer schwach wirksamen Kortikosteroid-Salbe verglichen worden. Das dabei verwendete Steroid (1% Hydrocortisonacetat) wird bezüglich Wirkungsstärke zur Klasse I gerechnet. Mit einem speziellen Index wurden Ausdehnung und Intensität der ekzematösen Veränderungen erfasst. Mit der Steroidsalbe wurde dieser Index gegenüber den Anfangswerten um durchschnittlich 36% gesenkt. Mit den Tacrolimus-Salben wurden signifikant bessere Werte erreicht, nämlich eine Senkung um 55% (0,03%-Salbe) bzw. um 60% (0,1%-Salbe).(4)
Bei 570 Erwachsenen mit Neurodermitis wurde eine entsprechende, ebenfalls nur 3 Wochen dauernde Vergleichsstudie mit einer deutlich wirksameren Steroidsalbe (0,1% Hydrocortisonbutyrat, Locoid®; Wirkungsstärke Klasse III) durchgeführt. Die schwächere Tacrolimus-Salbe war hier unterlegen: der Ekzem-Indexwert sank unter der 0,03%-Salbe um 53%, unter der 0,1%-Salbe und auch unter der Steroidsalbe jedoch um 64%.(5) Offene Beobachtungsstudien, in denen Kinder und Erwachsene während Monaten (bis zu einem Jahr) regelmässig mit der 0,1%igen Tacrolimus-Salbe behandelt wurden, lassen annehmen, dass das Medikament auch langfristig wirksam bleibt.(6,7)
Pimecrolimus
In einer doppelblinden Dosisfindungsstudie wurden 260 Erwachsene mit Neurodermitis während 3 Wochen zweimal täglich mit einer Pimecrolimus-Crème (0,05%, 0,2%, 0,6% oder 1,0%), mit der wirkstofffreien Crèmegrundlage oder mit Betametasonvalerat-Crème (Betnovate® u.a.; Wirkungsstärke Klasse III) behandelt. Pimecrolimus war in den höheren Konzentrationen wirksamer als die Crèmegrundlage, jedoch nicht so wirksam wie die Steroidcrème.(8)
In zwei identischen sechswöchigen Doppelblindstudien wurden Kinder und Jugendliche mit einem leichten bis mittelschweren konstitutionellen Ekzem behandelt. Bei 267 wurde eine 1%ige Pimecrolimus-Crème, bei 136 die Crèmegrundlage (ohne Wirkstoff) appliziert. Die Hautläsionen und der Juckreiz bildeten sich unter Pimecrolimus rasch zurück. Gemäss der ärztlichen Gesamtbeurteilung waren bei der Schlussvisite 35% der Pimecrolimus-Gruppe, jedoch nur 18% der Vergleichsgruppe vollständig oder weitgehend frei von Symptomen. (9)
In einer ähnlichen sechswöchigen Studie wurde das Medikament auch bei insgesamt 186 Kleinkindern im Alter von 3 bis 23 Monaten mit der Crèmegrundlage verglichen. Pimecrolimus war gut gegen den Juckreiz und die Hautsymptome wirksam. Nach sechs Wochen hatten 54% der mit Pimecrolimus behandelten Kinder, aber nur 24% der Kontrollgruppe keine oder fast keine Symptome mehr.(10)
In anderen Studien wurde untersucht, ob der sofortige Einsatz von Pimecrolimus-Crème bei den ersten Manifestationen einer Neurodermitis den Verlauf so beeinflussen kann, dass es nicht zu einem eigentlichen Ekzemschub kommt, und dass so lokal applizierte Steroide vermieden werden können. Das Studienpräparat (Pimecrolimus oder die Grundlage ohne Wirkstoff) wurde
solange appliziert, bis die Hautsymptome wieder abgeklungen waren. Im Intervall wurden lediglich hautpflegende Präparate verwendet. Wenn es trotz des Studienpräparates zu einem Ekzemschub mit stärkeren Symptomen kam, so wurde dieses weggelassen und für beschränkte Zeit ein Steroidpräparat eingesetzt;
anschliessend wurde nochmals mit dem Studienpräparat nachbehandelt. Nach diesem Protokoll wurden in drei Doppelblindstudien 192 Erwachsene während 6 Monaten und 713 Kinder und Jugendliche sowie 251 Kleinkinder während 12 Monaten behandelt. Pimecrolimus reduzierte die Schubhäufigkeit und damit den Steroidbedarf um etwa ein Drittel – während 72 bis 81% der mit der wirkstofffreien Grundlage Behandelten Ekzemschübe hatten, war dies in der Pimecrolimusgruppe nur bei 43 bis 55% der Fall.(11-13) Zum Beispiel müssen 4 Erwachsene während 6 Monaten jedesmal, wenn Symptome auftreten, mit Pimecrolimus statt mit der Crèmegrundlage behandelt werden, damit einer davon frei von Ekzemschüben bleibt.
Bisher wurden keine Studien veröffentlicht, in denen Pimecrolimus mit Tacrolimus verglichen worden wäre.
Unerwünschte Wirkungen
Sowohl Tacrolimus als auch Pimecrolimus führen besonders initial sehr häufig zu lokaler Hautreizung (Wärmegefühl, Brennen, Stechen, Juckreiz). Unter Tacrolimus wurden gehäuft Varizella-Zoster-Infekte beobachtet; für Pimecrolimus hat sich dies bisher nicht bestätigen lassen. Einzelfälle von Eczema herpeticatum sind unter beiden Mitteln vorgekommen. In Tierversuchen wurde lokal appliziertes Tacrolimus oder Pimecrolimus mit Lymphomen in Verbindung gebracht. Ebenfalls bei Mäusen fand sich unter der Behandlung mit Kalzineurinhemmern eine Verkürzung der Zeit bis zum Auftreten von Hauttumoren nach UV-Bestrahlung. Behandelte Stellen sollen deshalb vor Sonnenlicht geschützt werden.
Interaktionen
Tacrolimus ist zwar ein starker Hemmer der Zytochrome CYP1A und CYP3A4. Da die lokale Anwendung von Tacrolimus oder Pimecrolimus nur zu sehr niedrigen Plasmaspiegeln führt, sind jedoch Interaktionen mit systemisch angewandten Arzneimitteln unwahrscheinlich.
Dosierung/Verabreichung/Kosten
Tacrolimus (Protopic®) ist als Salbe zu 0,03% (für Kinder) und zu 0,1% (für Erwachsene) erhältlich. Pimecrolimus (Elidel®) wird nur in einer Form, als 1%ige Crème, angeboten. Beide Medikamente sind kassenzulässig. Diese Präparate sollen zweimal täglich auf die betroffenen Hautstellen aufgetragen und sachte verstrichen werden. Gemäss Arzneimittelkompendium können sie vom dritten Lebensjahr an eingesetzt werden, wenn «die konventionelle Therapie nicht genügt oder
nicht angewendet werden kann». Schwangere und stillende Frauen sollten keine lokalen Kalzineurinhemmer anwenden. Diese Medikamente sollten nicht in Hautbereichen angewandt werden, die von viralen, bakteriellen oder mykotischen Infektionen betroffen sind. Eine gleichzeitige Verwendung von Tacrolimus oder Pimecrolimus und Steroidpräparaten wurde nicht untersucht und wird nicht empfohlen.
Tacrolimus (Protopic®) und Pimecrolimus (Elidel®) kosten ungefähr gleich viel, nämlich CHF 67.95 bis 74.25 für 30 g Salbe bzw. Crème. Übliche Steroid-Hautpräparate kosten – je nach Stärke und Zusammensetzung – zwischen 5 und 25 Franken pro 30 g, also mindestens dreimal weniger.
Kommentar
Ein grosser Teil der von einem konstitutionellen Ekzem betroffenen Personen kann weiterhin gut mit pflegenden Externa und zurückhaltend eingesetzten lokalen Steroidpräparaten behandelt werden. Für «schwierige» Fälle und steroidsensible Hautpartien (Gesicht, Hals, Umgebung der Augen, Hautfalten) gibt es jetzt mit den beiden lokal applizierbaren Makrolaktamen eine neue Behandlungsoption. Bevor man sich für diese ungewöhnlich teure Therapie entscheidet, sind die folgenden
Fakten zu bedenken: Die Makrolaktame sind keineswegs bei allen Patientinnen und Patienten wirksam, sondern durchschnittlich nur bei 1 von 4. Sie sind bisher nur beschränkt mit Steroidpräparaten verglichen worden, dürften jedoch weniger wirksam sein als Steroide mittlerer Wirkungsstärke. Wir wissen noch sehr wenig über langfristige Auswirkungen der lokal angewandten Makrolaktame; unliebsame Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.
Literatur
- 1) Marsland AM, Griffiths CE. Eur J Dermatol 2002; 12: 618-22
- 2) Paller A et al. J Am Acad Dermatol 2001; 44: S47-57
- 3) Hanifin JM et al. J Am Acad Dermatol 2001; 44: S28-38
- 4) Reitamo S et al. J Allergy Clin Immunol 2002; 109: 539-46
- 5) Reitamo S et al. J Allergy Clin Immunol 2002; 109: 547-55
- 6) Kang S et al. J Am Acad Dermatol 2001; 44: S58-64
- 7) Reitamo S et al. Arch Dermatol 2000: 136: 999-1005
- 8) Luger T et al. Br J Dermatol 2001; 144: 788-94
- 9) Eichenfield LF et al. J Am Acad Dermatol 2002; 46: 495-504
- 10) Ho VC et al. J Pediatr 2003; 142: 155-62
- 11) Meurer M et al. Dermatology 2002; 205: 271-7
- 12) Wahn U et al. Pediatrics 2002; 110: e2
- 13) Kapp A et al. J Allerg Clin Immunol 2002; 110: 277-84
Standpunkte und Meinungen
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