Lornoxicam

Lornoxicam (Xefo®), ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer, wird zur Behandlung rheumatisch bedingter und anderer Schmerzen empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Lornoxicam ist ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer aus der Gruppe der Oxicame und wurde wie Tenoxicam (Tilcotil ®), von dem es sich chemisch lediglich durch ein zusätzliches Chlor-Atom unterscheidet, vor rund 30 Jahren erstmals synthetisiert. Zu den Oxicamen zählen auch Piroxicam (Felden® u.a.) und Meloxicam (Mobicox®). Lornoxicam wirkt entzündungshemmend sowie analgetisch und antipyretisch, indem es wie alle nicht-steroidalen Entzündungshemmer das Enzym Zyklooxygenase (COX) hemmt, das an der Prostaglandinsynthese beteiligt ist. Dieses existiert in mindestens zwei Isoformen; während der Typ 1 (COX 1) in vielen Geweben vorhanden ist und physiologische Funktionen wahrnimmt (z.B. in der Magenschleimhaut), ist der Typ 2 (COX 2) diejenige Form, die bei Entzündungsprozessen gebildet wird. Beide Isoformen ungefähr gleichermassen hemmend, zählt Lornoxicam zu den unspezifischen Zyklooxygenasehemmern wie zum Beispiel Ibuprofen (Brufen® u.a.).(1)

Pharmakokinetik

Nach oraler Verabreichung von Lornoxicam wird die Plasmaspitzenkonzentration nach etwa 2 Stunden erreicht. Die biologische Verfügbarkeit ist hoch (90% bis 100%). Lornoxicam wird in der Leber durch das Zytochrom P450-Isoenzym CYP2C9 abgebaut. Der wichtigste Metabolit ist 5-Hydroxy-Lornoxicam, der offenbar keine pharmakologische Aktivität hat. Die Metaboliten werden je etwa zur Hälfte über Stuhl und Urin ausgeschieden. Im Gegensatz zu anderen Oxicamen hat Lornoxicam eine relativ kurze Plasmahalbwertszeit von etwa 3 bis 4 Stunden. Leber- oder Nierenfunktionsstörungen scheinen die Pharmakokinetik von Lornoxicam nicht wesentlich zu verändern.(1,2)

Klinische Studien

Lornoxicam ist in Doppelblindstudien sowohl bei akuten als auch bei chronischen, durch rheumatische Erkrankungen verursachten Schmerzen geprüft worden. Ein erheblicher Teil dieser Daten ist nicht publiziert und in den Details nur bei der Herstellerfirma vorhanden («Data on file»).

Behandlung akuter Schmerzen

Die Behandlung von akuten Schmerzen wurde in Studien untersucht, in denen Lornoxicam und die Vergleichssubstanzen jeweils als Einmaldosis verabreicht wurden. 278 Personen nahmen nach Weisheitszahn-Extraktion eine von vier verschiedenen Lornoxicam-Dosen (4, 8, 16 oder 32 mg),
Ketorolac (Tora-dol®, 10 mg) oder Placebo. Nach sechs Stunden beobachtete man mit beiden aktiven Substanzen eine deutlich bessere schmerzstillende Wirkung als mit Placebo. Der Effekt von Lornoxicam war dosisabhängig, wobei sich die drei höheren Dosen nicht signifikant voneinander unterschieden. Die analgetische Wirkung von 10 mg Ketorolac bewegte sich zwischen der von 8 und 16 mg Lornoxicam. Unter 32 mg Lornoxicam bewerteten 67% der Behandelten die Schmerzlinderung als sehr gut bis ausgezeichnet; unter 16 mg waren es 56%, unter 8 mg 51%, unter 4 mg 28%, unter 10 mg Ketorolac 54% und unter Placebo 8%.(3) In einer ähnlichen, ebenfalls placebokontrollierten Studie mit 150 Personen verglich man Lornoxicam mit Acetylsalicylsäure (Aspirin® u.a.). Dabei wurden die Schmerzen nach Weisheitszahn-Entfernung durch 8 mg Lornoxicam stärker reduziert als durch 650 mg Acetylsalicysäure oder durch 2 und 4 mg Lornoxicam.(4) 210 Frauen, bei denen ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wurde, erhielten eine Stunde vor dem Eingriff 8 mg Lornoxicam, 1000 mg Paracetamol (Dafalgan® u.a.) oder Placebo. Mit Lornoxicam blieben 86% der Frauen postoperativ schmerzfrei, während es mit Paracetamol und Placebo signifikant weniger waren, nämlich je 67%.(5) In mehreren Studien wurde intramuskulär oder intravenös verabreichtes Lornoxicam nach orthopädischen Operationen oder nach Weisheitszahn-Extraktion mit Opioiden verglichen. Es zeigte sich, dass 16 mg Lornoxicam besser wirkten als 100 mg Tramadol (Tramal® u.a.)(6) und 16 bis 20 mg Lornoxicam ähnlich gut wie rund 20 mg Morphin.(7,8) In der Schweiz ist jedoch keine parenterale Formulierung von Lornoxicam erhältlich.

Behandlung chronischer Schmerzen


160 Personen mit Arthrose der Hüft- oder Kniegelenke verabreichte man während vier Wochen eine von drei verschiedenen Lornoxicam-Dosierungen (1mal 6 mg/Tag, 2mal 4 mg/Tag oder 2mal 6 mg/Tag) oder Placebo. Die beiden höheren Lornoxicam- Dosierungen bewirkten eine signifikant bessere Schmerzlinderung als Placebo. Auch die Fähigkeit zu körperlicher Aktivität nahm unter Lornoxicam deutlich stärker zu.(9) In einer zwölf Wochen dauernden Studie mit 135 Personen, die an Hüft- oder Kniearthrose litten, verordnete man Lornoxicam (3mal 4 mg/Tag oder 2mal 8 mg/Tag) oder Diclofenac (Voltaren® und andere, 3mal 50 mg/Tag). Global wurde die Wirkung der niedrigeren Lornoxicam-Dosis von 41% der Behandelten sowie von 41% der Ärzte und Ärztinnen als gut bis ausgezeichnet bezeichnet; bei der höheren Lornoxicam-Dosis waren es 66% und 64%, bei Diclofenac je 51%. Alle Behandelten, welche die zwölfwöchige Studienperiode beendet hatten, erhielten anschliessend während weiteren 40 Wochen eine der beiden Lornoxicam- Dosen. Die nach zwölf Wochen erreichte Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung konnte damit aufrechterhalten werden.(10)
288 Personen mit rheumatoider Arthritis wurden drei Wochen lang mit Lornoxicam (3mal 4 mg/Tag) oder mit Diclofenac (3mal 50 mg/Tag) behandelt. Mit beiden Mitteln liessen sich die Krankheitssymptome – gemessen an Schmerzen, Faustschlusskraft und Dauer der Morgensteifigkeit – in ähnlichem
Mass mindern.(11) Bei rheumatoider Arthritis wurde Lornoxicam auch mit Naproxen (Proxen® u.a.) und Piroxicam, bei Morbus Bechterew mit Indometacin (Indocid® u.a.) verglichen, wobei sich jeweils keine signifikanten Unterschiede zeigten.(1)

Unerwünschte Wirkungen

Lornoxicam verursacht die typischen Nebenwirkungen nichtsteroidaler Entzündungshemmer. Häufig – bei mehr als 10% der Behandelten – sind gastrointestinale Nebenwirkungen wie Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Verstopfung und Sodbrennen. Peptische Ulzera und entsprechende Komplikationen (Blutungen, Perforationen) sind möglich. Unter den zahlreichen anderen Nebenwirkungen sind insbesondere
auch Schwindel, Kopfschmerzen, Hautreaktionen und Ödeme zu erwähnen. Andere Oxicame sind mit dem Auftreten eines Stevens-Johnson-Syndroms und einer toxischen Epidermolyse (Lyell-Syndrom) in Verbindung gebracht worden. Die offizielle Fachinformation enthält zum Thema «Vorsichtsmassnahmen » eine Reihe von fragwürdigen Aussagen – besonders zu kritisieren ist die Angabe, Lornoxicam könnte auch dann verabreicht werden, wenn es zu einem peptischen Ulkus geführt hätte, sofern gleichzeitig ein Säurehemmer verabreicht würde. (Nicht-steroidale Entzündungshemmer sind bei aktiven Magen-Duodenalulzera allgemein kontraindiziert!).

Interaktionen

Wie bei allen nicht-steroidalen Entzündungshemmern ist bei Lornoxicam damit zu rechnen, dass es die Wirkung von Antihypertensiva abschwächen sowie die Toxizität von Lithium und Methotrexat verstärken kann. Lornoxicam kann das Hypoglykämie- Risiko von Sulfonylharnstoffen erhöhen, vermutlich
indem es mit den Antidiabetika um die Plasmaeiweiss- Bindung konkurriert. Die renale Clearance von Digoxin wird durch Lornoxicam um etwa 15% gesenkt. Lornoxicam kann die Plasmakonzentrationen von oralen Antikoagulantien wie Phenprocoumon (Marcoumar®) erhöhen, was indessen nicht
unbedingt mit einer INR-Erhöhung einhergehen muss.(12) Eine mögliche Verlangsamung des Lornoxicam-Abbaus durch CYP2C9-Hemmer ist wahrscheinlich klinisch nicht bedeutsam.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Lornoxicam (Xefo®) ist kassenzulässig und wird als Tabletten zu 4 und 8 mg angeboten. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 8 bis 16 mg, verteilt auf zwei oder drei Einnahmen. Bei Leber- oder Niereninsuffizienz sollte man nicht mehr als 8 mg pro Tag verabreichen. Schwangeren und stillenden Frauen sowie Kindern und Jugendlichen soll Lornoxicam nicht verschrieben werden. Eine Tagesdosis Lornoxicam - 12 oder 16 mg - kostet (bei Verwendung der grössten Originalpackung) 1.15 Franken pro Tag. Tenoxicam (20 mg/Tag) und Diclofenac-Generika (150 mg/Tag) sind mit Kosten um 1.20 täglich nur marginal teurer, mehrere Piroxicam-Präparate (20 mg/Tag) sogar billiger.

Kommentar

Was Wirkungen und Nebenwirkungen betrifft, reiht sich Lornoxicam in die zahlreichen nicht-steroidalen Entzündungshemmer ein, die in der Schweiz zur Verfügung stehen. Lornoxicam ist die Schwestersubstanz von Tenoxicam (Tilcotil®), mit dem Unterschied, dass es eine wesentlich kürzere Halbwertszeit
aufweist. Über allfällige Vor- oder Nachteile eines relativ kurzwirkenden Oxicams lässt sich diskutieren; klinische Vergleiche mit anderen Oxicamen liegen allerdings nicht vor. Lornoxicam wird vor allem auch als Schmerzmittel angepriesen, mit dem Argument, es habe dieselbe analgetische Wirksamkeit wie Opioide; darauf hinzuweisen, dass sich diese werbekräftige Aussage auf parenterale Verabreichungsformen von Lornoxicam bezieht, die in der Schweiz gar nicht angeboten werden, hat man offenbar in den Anzeigen untergehen lassen. Gute Argumente zu Gunsten dieser Neueinführung sind schwer zu finden.

Standpunkte und Meinungen

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Lornoxicam (11. Juni 2003)
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pharma-kritik, 25/No. 3
PK73
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