Dronedaron

Dronedaron (Multaq®) ist ein neues Antiarrhythmikum, das zur Behandlung bei Vorhofflimmern und -flattern empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Dronedaron weist eine ähnliche Struktur auf wie Amiodaron (Cordarone® u.a.), wobei zwei Unterschiede auffallen: zum einen enthält Dronedaron keine Jodatome; zum anderen besitzt es eine Methan-Sulfonylgruppe, was mit geringerer Lipophilie und kleinerem Verteilungsvolumen verbunden ist. Die pharmakologischen Wirkungen sind ebenfalls ähnlich wie bei Amiodaron. Im Vordergrund steht die Hemmung von Kaliumkanälen mit einer Verlängerung des Aktionspotentials und der Refraktärperiode, woraus sich die Zuteilung zu den Klasse-III-Antiarrhythmika ableitet. Daneben blockiert Dronedaron Kalzium- und Natriumkanäle sowie alpha- und beta- Rezeptoren und zeigt damit auch Charakteristika der anderen drei Antiarrhythmika-Klassen. Insgesamt zeichnet sich Dronedaron sowohl durch rhythmus- wie frequenzkontrollierende Eigenschaften aus.(1-3)

Pharmakokinetik

Nach oraler Einnahme von Dronedaron dauert es 3 bis 6 Stunden, bis man den maximalen Plasmaspiegel misst. Die biologische Verfügbarkeit erreicht nur 4%; in Kombination mit Nahrungsmitteln erhöht sie sich auf 15%. Die Dronedaron- Konzentration steigt überproportional zur Dosis, vermutlich infolge einer Sättigung des «first-pass»-Metabolismus. Dronedaron wird grösstenteils durch CYP3A4 abgebaut. Von den beiden Hauptmetaboliten ist einer, das N-Debutyl- Derivat, pharmakologisch aktiv (mit einer um das 3- bis 10-fache geringeren Potenz als die Muttersubstanz). Die definitive Ausscheidung erfolgt zu 84% über den Stuhl. Die terminale Halbwertszeit von Dronedaron liegt bei 27 bis 31 Stunden, diejenige des N-Debutyl-Metaboliten bei 20 bis 24 Stunden. Bei mittelgradiger Leberfunktionsstörung ist die Dronedaron-Exposition um bis das 2-fache erhöht. Bei Niereninsuffizienz ist nicht mit einer Veränderung der Pharmakokinetik zu rechnen.(2,3)

Klinische Studien

Mit Dronedaron sind mehrere grössere Doppelblindstudien unternommen worden, in denen man vor allem verschiedenen Fragestellungen in Bezug auf die Wirksamkeit bei Vorhofflimmern oder -flattern nachgegangen ist. Mit einer Ausnahme handelte es sich um Placebovergleiche.

In einer placebokontrollierten Dosisfindungsstudie wurden bei 199 Personen mit Vorhofflimmern drei verschiedene Dronedaron-Dosen (2-mal 400, 600 oder 800 mg/Tag) geprüft. Nachdem eine Kardioversion durchgeführt worden war, liess sich mit der niedrigsten Dronedaron-Dosis ein Rückfall des Vorhofflimmerns am besten hinauszögern.(4) Deshalb wurden 2-mal 400 mg/Tag als Standarddosis für die folgenden Studien festgesetzt.

Mit der rhythmuskontrollierenden Wirkung von Dronedaron befassten sich zwei weitere Studien. Eine dieser Studien fand in Europa (n=612) statt, die andere in Nordamerika und einigen anderen Ländern (n=625). Beiden lag dasselbe Protokoll zugrunde, so dass man sie gemeinsam veröffentlichte. Behandelt wurden Personen, die in den vorangegangenen drei Monaten mindestens eine Episode von Vorhofflimmern oder -flattern erlitten und vor der Randomisierung einen Sinusrhythmus aufgewiesen hatten. In der europäischen Studie dauerte es in der Dronedaron-Gruppe im Median 96 Tage, bis das Vorhofflimmern zurückkehrte; in der Placebo-Gruppe waren es 41 Tage. Der Anteil der Personen, bei denen innerhalb eines Jahres wiederum Vorhofflimmern auftrat, betrug 67% unter Dronedaron und 78% unter Placebo. In der nichteuropäischen Studie waren es 158 gegenüber 59 Tagen bzw. 61% gegenüber 73%.(5)

Dronedaron als Mittel zur Frequenzkontrolle wurde bei 174 Personen mit symptomatischem chronischem Vorhofflimmern und einer Ruhe-Herzfrequenz über 80/min getestet. 14 Tage nach Studienbeginn bestimmte man mit einem 24-Stunden-EKG die mittlere Herzfrequenz. In der Dronedaron-Gruppe hatte sie um 11 Schläge pro Minute ab-, in der Placebogruppe um 1 Schlag pro Minute zugenommen. Ein signifikanter Unterschied fand sich auch bei der zweiten Messung nach vier Monaten.(6)

In der grössten Studie (n=4628) wurde der prophylaktische Effekt gegenüber kardiovaskulären Ereignissen untersucht. Das Kollektiv bestand aus Patienten und Patientinnen mit paroxysmalem oder chronischem Vorhofflimmern bzw. -flattern, die über 70 Jahre alt und mehrheitlich mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie zum Beispiel einer arteriellen Hypertonie belastet waren. Die mediane Beobachtungszeit betrug 22 Monate. Als primären Endpunkt zählte man die Ersthospitalisationen infolge eines kardiovaskulären Geschehnisses (Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz u.a.) und die Todesfälle zusammen, die sich vor einer Hospitalisation ereignet hatten. In der Dronedaron-Gruppe betrug der Prozentsatz der Hospitalisationen 31,9% und derjenige der Todesfälle 2,6%, in der Placebogruppe 36,9% und 2,5%. Bei den Hospitalisationsgründen waren es Vorhofflimmern und akutes Koronarsyndrom und bei den Todesfällen die arrhythmiebedingten, die unter Dronedaron signifikant weniger vorkamen.(7)

In einer weiteren Studie (n=627) wurde ein möglicher Nutzen von Dronedaron bei schwerer Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III oder IV, Auswurfsfraktion unter 35%) erforscht, wobei nur bei rund einem Viertel der Behandelten ein Vorhofflimmern vorlag. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 2 Monaten summierte sich die Kombination von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz-Verschlechterung und von Todesfallen - der primäre Endpunkt - bei Dronedaron auf 17% und bei Placebo auf 13%. Da bei der Gesamtmortalität der Unterschied zu Ungunsten von Dronedaron ausfiel (8% gegenuber 4%), wurde die Studie abgebrochen.(8)

Auch ein Direktvergleich mit Amiodaron hat stattgefunden, der allerdings noch nicht vollständig publiziert ist. 504 Personen mit einem seit mindestens 72 Stunden bestehenden Vorhofflimmern, bei dem eine Kardioversion bzw. antiarrhythmische Therapie indiziert war, erhielten Dronedaron oder Amiodaron (600 mg/Tag während der ersten vier Wochen, danach 200 mg/Tag). Vorgesehen war eine Behandlungsdauer von mindestens 6 Monaten. Primärer Endpunkt war die Zahl der Personen, bei denen das Vorhofflimmern binnen eines Jahr zurückkehrte oder bei denen die Therapie wegen Unverträglichkeit oder fehlender Wirkung beendet wurde. Bei Dronedaron betrug dieser Prozentsatz 75%, bei Amiodaron 59%. Die Überlegenheit von Amiodaron war dadurch bedingt, dass es dem Wiederauftreten von Vorhofflimmern besser entgegenwirkte als Dronedaron.(3)

Unerwünschte Wirkungen

Häufigste Nebenwirkungen von Dronedaron sind Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, Müdigkeit, Asthenie, Bradykardie sowie Leberenzymerhöhungen. Bei rund der Hälfte der Behandelten verzeichnete man einen Anstieg des Kreatinin-Spiegels um über 10%, meistens in der ersten Behandlungswoche; als Grund wird angegeben, dass Dronedaron die tubuläre Sekretion von Kreatinin hemmt. Beschrieben sind auch Hautausschläge und Juckreiz. Wie alle Klasse-III-Antiarrhythmika kann Dronedaron das QT-Intervall verlängern, was das Risiko einer «Torsade de pointes» erhöht. Im Vergleich zu Amiodaron treten unter Dronedaron mehr gastrointestinale Nebenwirkungen auf, dagegen wurden bei Dronedaron bislang kaum Schilddrüsenfunktionsstörungen, pneumologische, neurologische oder ophthalmologische Probleme beobachtet.(1-3)

Interaktionen

Von einer Kombination mit starken CYP3A4-Hemmern oder -Induktoren ist abzuraten, da mit erheblichen Veränderungen der Dronedaron-Exposition zu rechnen ist. Dronedaron selber hemmt CYP3A4, CYP2D6 sowie das P-Glykoprotein und kann dadurch die Plasmaspiegel von gewissen Statinen, Immunsuppressiva, Kalziumantagonisten, Betablockern oder von Digoxin erhöhen. Im Falle der Kalziumantagonisten, Betablocker und von Digoxin besteht auch die Möglichkeit einer pharmakodynamischen Interaktion (synergistische Wirkung bei der atrio-ventrikulären Überleitung mit erhöhtem Bradykardie-Risiko). Ausserdem sollte Dronedaron nicht zusammen mit Medikamenten verabreicht werden, die ebenfalls das QT-Intervall verlängern. Nicht zu einer relevanten Interaktion zu führen scheint die Kombination von Dronedaron mit oralen Antikoagulantien.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Dronedaron (Multaq®) ist als Tabletten zu 400 mg erhältlich, die zweimal täglich zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden sollen. Das Medikament ist zugelassen zur Frequenz- und Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern und -flattern. Als Kontraindikationen sind schwere Herz- oder Leberinsuffizienz, höhergradige AV-Blockierungen und Bradykardie (unter 50/min) formuliert. Im Tierversuch bei Ratten wurden teratogene Effekte beobachtet, so dass Dronedaron von schwangeren Frauen gemieden werden sollte. Das Mittel tritt wahrscheinlich in die Muttermilch über, weshalb unter Dronedaron nicht gestillt werden sollte. Dronedaron wird von den Krankenkassen vergütet und kostet 143.15 Franken pro Monat. Bei Amiodaron (Cordarone® u.a.) sind mit einer Erhaltungsdosis von 100 bis 200 mg/Tag 19.85 bis 39.65 Franken pro Monat aufzuwenden.

Kommentar

Dronedaron kann gegenüber der Vorläufersubstanz Amiodaron mit zwei Trümpfen aufwarten: einerseits verfügt es mit der viel kürzeren Halbwertszeit über eine vorteilhaftere Kinetik; andererseits scheint es weniger ernsthafte Nebenwirkungen hervorzurufen, wie man sie von Amiodaron kennt. Für das Versprechen einer besseren Verträglichkeit benötigt man aber sicher mehr Daten, ehe es als bestätigt gelten kann. Dass Dronedaron bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz offenbar die Mortalität erhöht, erlaubt es durchaus, dass man bei der Langzeitsicherheit noch ein Fragezeichen setzt.

Die antiarrhythmische Wirksamkeit von Dronedaron ist niedriger einzustufen als bei Amiodaron. Dies ist der Hauptgrund, dass Amiodaron beim Vorhofflimmern weiterhin den Vorzug verdient, sofern ein Klasse-III-Antiarrhythmikum indiziert ist.

Standpunkte und Meinungen

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Dronedaron (3. März 2010)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 31/No. 11
PK695
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