Verstärkte Stellung der SANZ
- Autor(en): Johannes Gartmann
- pharma-kritik-Jahrgang 10
, Nummer 08, PK656
Redaktionsschluss: 28. April 1988 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Diskussion
Im Anschluss an meinen Kommentar «Strictly Confidential», der sich unter anderem mit der Schweizerischen Arzneimittel- Nebenwirkungs-Zentrale (SANZ) befasste, habe ich mehrere Briefe zu diesem Thema erhalten. Es ist nicht üblich, dass pharma-kritik Korrespondenzen veröffentlicht. Da der Funktion der SANZ aber eine ganz besondere Bedeutung zukommt, soll diesmal eine Ausnahme gemacht werden. Deshalb folgt hier eine Stellungnahme von Prof. Dr. J. Gartmann (Chur), dem ärztlichen Leiter der SANZ. E.G.
Gerne will ich zu der aufgeworfenen Frage der Öffentlichkeitsarbeit resp. Diskretion der SANZ Stellung nehmen. Die von Ihnen angeschnittene Problematik beschäftigt mich selber seit längerer Zeit. Sie war 1986 Gegenstand eines Arbeitspapiers «5 Jahre SANZ. Zwischenbilanz. Perspektiven», welches im Stiftungsrat und wissenschaftlichen Beirat eingehend beraten wurde und schliesslich zu einer Revision des Stiftungsreglementes und der Richtlinien der SANZ führte (Ende 1987).
Wie so manche Institution unseres Landes machte auch die SANZ eine schrittweise Entwicklung durch. Als ich 1981 die Tätigkeit als Leiter der SANZ aufnahm, waren zwar jahrelange Diskussionen um die Schaffung einer Arzneimittel-Nebenwirkungs-Zentrale vorausgegangen; aber es existierte keine Institution, die sich mit Nebenwirkungsfragen befasste (ausser dem Spital-Monitoring von Prof. R. Hoigné in Bern). Leitgedanke bei der Gründung der SANZ war, eine Dienstleistungsstelle für Ärzte und Medikamentenhersteller zu schaffen, zur besseren gegenseitigen Information über Arzneimittel-Nebenwirkungen. Die Meldefreudigkeit der Ärzte und der Wille zur klaren Information der Herstellerfirma sollten stimuliert werden. Der SANZ war dabei eine beratende Rolle zugedacht. Sie sollte unter anderem auch als «neutrales Gewissen» die Arzneimittelhersteller darauf hinweisen, wenn ihr eine Information der regelementierenden Behörde, der IKS, notwendig erschien. Im Einführungsartikel in der Schweizerischen Ärztezeitung(1) war die Stellung folgendermassen umschrieben: «Die SANZ ist also ein Zentrum der Information und Beratung und hat nicht etwa die offizielle Funktion, öffentliche Verlautbarungen über Medikamente zu erlassen oder über deren Zulassung oder Einschränkung zu entscheiden. Diese Aufgabe fällt ausschliesslich der IKS zu; die SANZ kann aber durch ihre Information und Beratung einer Herstellerfirma eine Meldung an die IKS empfehlen.»
Es freut mich, dass Sie der SANZ attestieren, dass sie zusammen mit der Herstellerfirma die Meldungen über Nebenwirkungen sehr sorgfältig registriere und beantworte. Auch viele der meldenden Kollegen äussern sich befriedigt über die erhaltene Information. Mit dieser «Arbeit imStillen» sind im Laufe der Jahre sehr zahlreiche Verbesserungen der Medikamenteninformation und auch Rückzüge von Medikamenten veranlasst worden (unter anderem einer der heute so diskutierten chondroprotektiven Substanzen schon 1982; hochdosiertes intravenöses Eisen 1987 als weiteres Beispiel). Wir sind auch überzeugt, dass die von uns geübte vollständige Information der Arzneimittelhersteller über Nebenwirkungen ihrer Medikamente sehr viel zur Arzneimittelsicherheit beiträgt. Denn die Pharmaindustrie muss heutzutage bei der Erforschung von Arzneimittelnebenwirkungen ein Partner der Gesundheitsbehörden sein, nicht ein Kontrahent. Ganz in diesem Sinne schreibt M.C. Cone im neuesten «Side Effects of Drugs Annual (1988)»:(2) «Es wird oft kritisiert, der Informationsfluss zu den Aufsichtsbehörden sei eine Einbahnstrasse, von der Firma zum Nebenwirkungszentrum, welche einer (pharmazeutischen) Firma wenig Gelegenheit gibt, Rückmeldungen über ihre eigenen Produkte oder über die Deutung der dazu vorgelegten (Nebenwirkungs-) Daten zu erhalten.», und zum Schluss: «Vielleicht hat man doch etwas gelernt seit den Anfängen der Arzneimittel- Registrierung, nämlich, dass es auf lange Sicht ergiebiger ist, geduldig miteinander zu sprechen als sich gegeneinander zu stellen.» [Übersetzung: Redaktion].
Trotzdem sind auch wir zusammen mit dem Stiftungsrat zur Überzeugung gelangt, dass für die SANZ eine Statutenrevision notwendig sei. Die Ende 1987 in Kraft getretenen Statuten leiten eine neue Epoche ein: die Stellung der SANZ wir verstärkt, und dem Bedürfnis nach mehr Öffentlichkeitsarbeit und Publizität soll entsprochen werden. Praktisch heisst dies, dass einerseits Empfehlungen der SANZ, Nebenwirkungen an die IKS zu melden, verbindlichen Charakter haben und dass anderseits zunächst etwa dreimal jährlich kurze Publikationen über Probleme der Arzneimittelsicherheit erfolgen sollen.
Mit einem seit einem Monat verstärkten Team und mit Hilfe der im Aufbau begriffenen EDV-Anlage sollte es uns demnächst möglich sein, mit der geplanten Serie kurzer Publikationen zum Problem der Arzneimittelsicherheit zu beginnen: Ich hoffe, dass es anregende, nützliche und offene Informationen sein werden.
J. Gartmann
Literatur
- 1) Schweiz. Ärztezeitg. 62: 1329, 1981
- 2) M.C. Cone in: M.N.G. Dukes und L.Beeley (Herausgeber), Side Effects of Drugs Annual 12 - 1988, p.IX, Elsevier Amsterdam, 1988
Standpunkte und Meinungen
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