Lisinopril

Synopsis

Lisinopril (Prinil®, Zestril®) ist ein neuer Hemmer des «Angiotensin Converting Enzyme» (ACE-Hemmer), der zur Behandlung der Hypertonie und der Herzinsuffizienz empfohlen wird.

Chemie/Pharmakologie

Lisinopril ist ein Lysinderivat von Enalaprilat, dem aktiven Metaboliten von Enalapril (Reniten®). Das neue Medikament hat die gleichen pharmakodynamischen Eigenschaften wie die beiden anderen ACE-Hemmer Captopril (Lopirin®, Tensobon®) und Enalapril.(1) Die Wirkung dieser Substanzen wird in erster Linie mit einer Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems erklärt. Sie führen zu einer Abnahme der Angiotensin-II-Plasmakonzentration und damit zu einer Senkung des peripheren Gefässwiderstandes sowie zu verminderter Aldosteronfreisetzung. Die Herzfrequenz bleibt unverändert; der renale Blutfluss und die glomeruläre Filtration können ansteigen oder unverändert bleiben. Bei Herzinsuffizienz senken ACE-Hemmer die Vor- und Nachlast des Herzens; das Herzschlagvolumen nimmt zu.

Pharmakokinetik

Nach oraler Verabreichung wird Lisinopril langsam und unvollständig resorbiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden erst nach etwa 7 Stunden erreicht (Enalaprilat, die aktive Form von Enalapril, erreicht 3 bis 4 Stunden nach Verabreichung die höchsten Plasmaspiegel). Die biologische Verfügbarkeit von Lisinopril beträgt normalerweise etwa 25%,(2) bei Patienten mit Herzinsuffizienz etwa 16%.(3) Im Gegensatz zu Enalapril, welches erst durch metabolische Umwandlung aktiv wird, ist Lisinopril selbst die aktive Substanz. Seine «effektive» Plasmahalbwertszeit beträgt rund 12 Stunden (Enalapril hat etwa die gleiche, Captopril dagegen mit knapp 3 Stunden eine deutlich kürzere Halbwertszeit). Die terminale Ausscheidung der ACE-Hemmer verläuft infolge der Bindung an das ACE verzögert. Lisinopril wird unverändert über die Nieren ausgeschieden; bei älteren Personen und insbesondere bei Niereninsuffizienz kann deshalb eine Dosisreduktion notwendig sein. Bei Personen mit Leberzirrhose findet sich eine grössere Variabilität der Lisinopril-Plasmaspiegel als bei Normalpersonen; dieser Unterschied ist jedoch bei Enalapril noch grösser.(4)

Klinische Studien

Die Wirksamkeit von Lisinopril bei Hypertonie und bei Herzinsuffizienz ist in mehreren grossen Studien nachgewiesen worden; das Medikament ist in den USA schon seit 1988 erhältlich.

Arterielle Hypertonie
Mit einer Tagesdosis von 20 mg Lisinopril lässt sich bei vielen Patienten mit leichter oder mittelschwerer Hypertonie eine adäquate Blutdrucksenkung erreichen, die 24 Stunden anhält. Dies konnte z.B. in einer offenen Studie bei 25 Patienten mittels ambulanter Blutdruckmessung (während des ganzen Tages) gezeigt werden.(5) Auch in Doppelblindstudien, die dem Vergleich allmählich steigender Lisinopril-Dosen (1,25 bis 80 mg/Tag) mit Placebo dienten, ergab sich eine gute blutdrucksenkende Wirkung von Lisinopril.(6,7)
Die Wirksamkeit von Lisinopril wurde zudem in kontrollierten Vergleichen mit derjenigen anderer Antihypertensiva untersucht. Bisher ist allerdings erst eine grössere Doppelblindstudie veröffentlicht worden, in der Lisinopril mit einem anderen ACE-Hemmer verglichen wurde: 304 Patienten mit diastolischen Blutdruckwerten zwischen 95 und 115 mm Hg erhielten während 10 Wochen einmal täglich Lisinopril (20 mg) oder Captopril (50 mg). Die Blutdruckmessung erfolgte 24 Stunden nach der Medikamenteneinnahme. Nach 6 Wochen Monotherapie war Lisinopril etwas wirksamer (durchschnittliche Blutdrucksenkung um 18/14 mm Hg) als das «kurzwirkende» Captopril (--15/12 mm Hg). Patienten, deren diastolischer Blutdruck nicht unter 95 mm Hg gesunken war, erhielten in den letzten 4 Studienwochen zusätzlich Hydrochlorothiazid (Esidrex® u.a., 25 mg/Tag). So fanden sich am Studienende in der Lisinopril-Gruppe 90%, in der Captopril- Gruppe 79% mit adäquater Blutdruckkontrolle.(8) In anderen Studien senkte Lisinopril (20 bis 80 mg/Tag) den Blutdruck mindestens gleich gut wie Hydrochlorothiazid (12,5 bis 50 mg/Tag),(9) Atenolol (Tenormin® u.a., 50-200 mg/Tag),(10) Metoprolol (Lopresor® u.a., 100-200 mg/Tag)(11) oder Nifedipin (Adalat® u.a., 40-80 mg/Tag).(12) Wie die anderen ACE-Hemmer hat Lisinopril nicht nur bei jüngeren, sondern auch bei älteren Patienten eine gute blutdrucksenkende Wirkung.
In offenen Studien haben auch Personen mit Niereninsuffizienz Lisinopril erhalten, ohne dass es im Mittel zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion gekommen wäre. Dies gilt auch für einige Patienten mit ein- oder beidseitiger Nierenarterienstenose.

Herzinsuffizienz

Von 107 Patienten, deren Herzinsuffizienz mit Digitalis und Diuretika behandelt wurde, erhielten 72 zusätzlich Lisinopril in individuell titrierten Dosen zwischen 5 und 20 mg/Tag, 35 dagegen nur Placebo. Während 12 Wochen wurde die Herzleistung periodisch überprüft; Lisinopril führte zu einer signifikanten Verbesserung der Arbeitskapazität und der linksventrikulären Funktion sowie zu einer Abnahme der Symptome der Herzinsuffizienz.(13) Lisinopril wurde bei Herzinsuffizienz auch doppelblind mit Captopril verglichen: von 189 Patienten erhielt die Hälfte täglich einmal 5 mg Lisinopril, die andere Hälfte täglich dreimal 12,5 mg Captopril. Die Dosis der Medikamente durfte im Verlauf der 12 Wochen dauernden Studie nach Bedarf verdoppelt bis vervierfacht werden. Beide Medikamente ergaben (als Ergänzung zu Digitalis und Diuretika) eine etwa gleichwertige Verbesserung der kardialen Leistungsfähigkeit; für bestimmte Untergruppen bzw. bei einzelnen Messgrössen liess sich sogar eine leichte Überlegenheit von Lisinopril errechnen.(14)

Unerwünschte Wirkungen

Lisinopril verursacht grundsätzlich etwa die gleichen unerwünschten Wirkungen wie Enalapril. Je etwa 5% der Patienten klagen über Schwindel oder über Kopfschmerzen; eine ausgeprägte Hypotonie muss besonders bei Individuen befürchtet werden, die einen Salz- oder Flüssigkeitsmangel aufweisen. Bei rund 3% treten Müdigkeit, Durchfall, Husten oder Symptome der oberen Luftwege auf. Ein Anstieg von Plasma-Kreatinin und/oder -Kalium wird bei 2 bis 4% beobachtet; ist die Nierenfunktion schon vorher eingeschränkt, so kann sie sich unter Lisinopril akut verschlechtern. Brechreiz, andere gastrointestinale Symptome und Exantheme sind seltener. Ein angioneurotisches Ödem ist eine sehr seltene, aber möglicherweise lebensbedrohliche Komplikation.
Interaktionen: Kaliumsalze und kaliumsparende Diuretika können mit ACE-Hemmern zusammen eine Hyperkaliämie verursachen. Wird Lisinopril Personen verabreicht, die auch Lithium einnehmen, so ist ein Anstieg des Lithium- Plasmaspiegels in toxische Bereiche möglich.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Lisinopril (Prinil®, Zestril®) ist als Tabletten zu 20 mg und zu 5 mg erhältlich; das Medikament ist zur Zeit nicht kassenzulässig. Zur Behandlung der Hypertonie ist meistens eine tägliche Dosis zwischen 10 und 40 mg notwendig. Um eine exzessive Hypotonie zu vermeiden, werden Diuretika am besten etwa drei Tage vor der ersten Verabreichung von Lisinopril abgesetzt; sie können später wieder hinzugefügt werden. Zur Behandlung der Herzinsuffizienz wird empfohlen, mit einer Tagesdosis von 2,5 mg zu beginnen und diese vorsichtig zu steigern. Zu einem ähnlich vorsichtigen Vorgehen wird auch geraten, wenn die Nierenfunktion deutlich reduziert ist. ACE-Hemmer sind während der Schwangerschaft kontraindiziert. Die Anwendung bei Kindern ist nicht dokumentiert.
Eine Behandlung mit täglich 20 mg Lisinopril kostet mindestens Fr. 59.25 pro Monat und ist damit deutlich teurer als die entsprechende Enalapril-Dosis (Fr. 52.65/Monat). (In den USA ist dagegen Lisinopril wesentlich billiger als Enalapril.)

Kommentar

Resultate von klinischen Vergleichen zwischen Lisinopril und Enalapril liegen kaum vor. Nach heutigem Wissen gibt es aber keine praktisch relevanten Unterschiede zwischen diesen beiden Medikamenten. (Möglicherweise kann Enalapril im Durchschnitt sogar etwas niedriger als Lisinopril dosiert werden.) Bisher ist nicht einmal bei Kranken mit gestörter Leberfunktion ein entscheidender Vorteil von Lisinopril gezeigt worden. Wenn ich zwischen diesen zwei ähnlichen Substanzen wählen muss, so fällt meine Wahl eindeutig auf das besser dokumentierte und billigere Enalapril. Im übrigen sind auch die Unterschiede zu Captopril nicht so bedeutsam, wie dies aufgrund der Gegenüberstellung von «kurz» und «lang» wirkenden ACE-Hemmern erscheinen würde.

Literatur

  1. 1) Chase SL, Sutton JD. Pharmacotherapy 1989; 9: 120-30
  2. 2) Beermann B. Am J Med 1988; 85 (Suppl 3B): 25-30
  3. 3) Till AE et al. Br J Clin Pharmacol 1989; 27: 199-204
  4. 4) Hayes PC et al. J Hum Hypertens 1989; 3 (Suppl 1): 153-8
  5. 5) Herpin D, Conte D. J Hum Hypertens 1989; 3 (Suppl 1): 11-5
  6. 6) Gomez HJ et al. Clin Pharmacol Ther 1985; 37: 198
  7. 7) Nelson EB et al. J Clin Pharmacol 1985; 25: 470
  8. 8) Gosse P. J Hum Hypertens 1989: 3 (Suppl 1): 23-8
  9. 9) Pool JL et al. J Cardiovasc Pharmacol 1987; 9 (Suppl 3): S36-42
  10. 10) Bolzano K et al. J Cardiovasc Pharmacol 1987; 9 (Suppl 3): S43-7
  11. 11) Zaschariah PK et al. J Cardiovasc Pharmacol 1987; 9 (Suppl 3): S53-8
  12. 12) Witchitz S, Serradimigni A. J Hum Hypertens 1989; 3 (Suppl 1): 29-33
  13. 13) Chalmers JP et al. J Cardiovasc Pharmacol 1987; 9 (Suppl 3): S89-97
  14. 14) Giles TD et al. J Am Coll Cardiol 1989; 13: 1240-7

Standpunkte und Meinungen

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Lisinopril (28. Januar 1990)
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