Therapie der chronischen Hepatitis C

Übersicht

Die Hepatitis C (ältere Bezeichnungen: Non-A-non-B-Hepatitis, Posttransfusions-Hepatitis) wird durch eine Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV), einem einsträngigen RNS-Virus, verursacht. Bisher sind 6 (numerisch bezeichnete) Hauptgenotypen und 11 (alphabetisch bezeichnete) Subtypen identifiziert worden. Diese Heterogenität beruht auf einer hohen Mutationsrate bei der Virusreplikation. In Westeuropa und in den USA werden vorwiegend die HCV-Genotypen 1a, 1b und 2a nachgewiesen, während in Asien die HCV-Genotypen 1b, 3a und 4a zahlenmässig dominieren.(1)In der Schweiz wird bei Drogenabhängigen (d.h. bei parenteraler Transmission) der HCV-Genotyp 3a am häufigsten beobachtet; sonst findet man in der Schweiz vorwiegend den Genotyp 1b. (2)

Epidemiologie

Die Hepatitis C ist in einzelnen asiatischen und afrikanischen Ländern sehr verbreitet. So sind z.B. in Ägypten über 10% der Bevölkerung mit dem HCV infiziert; in Südeuropa und in den USA sind es 1 bis 2%, in Deutschland und in der Schweiz nur 0,3%.
Die Transmission erfolgt in rund 50% der Fälle auf parenteralem Weg durch Blut oder dessen Fraktionen, durch Organtransplantatation oder durch kontaminiertes Material (z.B. Spritzen, Hämodialyseapparate). Von geringerer Bedeutung sind die sexuelle und die transplazentare Übertragung. Bei mindestens 40% der Patienten ist der Infektionsmodus unbekannt (sporadische Hepatitis C).(3)

Verlauf, Diagnostik

Nur eine Minderheit der Hepatitis-C-Infektionen führt zu einer klinisch manifesten, akuten Hepatitis; fulminante Verläufe sind sehr selten. Hingegen entwickeln 70 bis 80% der Infizierten eine chronische Hepatitis, die durch einen symptomarmen Verlauf mit fluktuierenden Transaminasenwerten charakterisiert ist.(4) Die Prognose ist sehr variabel und lässt sich schwierig voraussagen.(5) Es scheint, dass die chronische Hepatitis C bei 10 bis 25% der Patienten nach durchschnittlich 20 Jahren zu einer Leberzirrhose führt. Sie gilt als Risikofaktor des hepatozellulären Karzinoms.
In der Mehrzahl der Fälle wird die Hepatitis C zufällig, anhand von abnormen Leberwerten, entdeckt. Heute werden serologische Methoden der zweiten Generation («Enzyme Linked Immunosorbent Assay» = HCV-ELISA II als Screeningtest und «Recombinant Immunoblot Assay» = HCV-RIBA II als Konfirmationstest) verwendet. Damit können Anti-HCV-Antikörper durchschnittlich drei Monate nach Exposition mit einer Sensitivität und Spezifität von etwa 90% nachgewiesen werden. Es handelt sich um nicht-protektive IgG-Antikörper, die üblicherweise jahre- bis jahrzehntelang persistieren, auch wenn die Infektion überwunden ist. Ihr Nachweis lässt deshalb keine Rückschlüsse auf die Aktivität der Hepatitis zu.(6) Falsch positive Serologien kommen bei autoimmuner Hepatitis gehäuft vor.
Die «Polymerase Chain Reaction» (PCR) erlaubt durch Bestimmung der HCV-RNS eine frühere Diagnose der Hepatitis C. Praktisch liegt der Nutzen dieses Tests vor allem im qualitativen Einsatz, d.h. bei der Beantwortung der Frage, ob HCV-RNS überhaupt im Serum nachweisbar ist oder nicht. Indiziert ist die PCR besonders bei unklaren serologischen Befunden (z.B. bei Immundefekt mit humoraler Inkompetenz) und vor Beginn einer antiviralen Behandlung.(7) Diese Untersuchung kann auch zu einer Quantifizierung der Virämie und zur Bestimmung des Genotyps verwendet werden. Über den praktischen Nutzen der Quantifizierung und der Typisierung sind sich die Fachleute aber noch nicht einig.(5) Falsch negative Resultate kommen vor, weil die Virämie bei chronischer Hepatitis C nicht selten intermittierend auftritt. Routinemässig sollte die teure, technisch aufwendige PCR nicht durchgeführt werden.
Wird eine medikamentöse Behandlung der Hepatitis C erwogen, so sollte normalerweise eine Leberbiopsie zur Beurteilung der Entzündungsaktivität, zur Erfassung einer Zirrhose und zum Ausschluss anderer Lebererkrankungen durchgeführt werden.
Da die Hepatitis C individuell unterschiedlich verläuft, wäre es hilfreich, die langfristige Prognose aufgrund von klinischen, biochemischen, virologischen oder histologischen Daten voraussagen zu können. Der Verlauf ist entscheidend von der Abwehrfähigkeit des infizierten Individuums mitbestimmt. Eine Koinfektion mit dem Hepatitis-B- oder dem HI-Virus wird als ungünstig angesehen, ebenso eine alkoholbedingte Leberschädigung. Das Ausmass der Transaminasenerhöhung und der Virämie hat hingegen im Einzelfall keinen prädiktiven Wert; chronische Verläufe werden auch bei wiederholt normalen Transaminasen und unmessbar tiefer Viruskonzentration beobachtet. (8)Auch die histologischen Befunde lassen nicht in jedem Fall auf die zukünftige Morbidität schliessen. Noch nicht restlos geklärt ist die Frage, ob einzelne HCV-Genotypen eine besonders rasch progrediente Hepatitis verursachen.(1,9)

Allgemeine Massnahmen

Bei Hinweisen auf eine aktive Hepatitis C sollten Alkohol und hepatotoxische Medikamente gemieden werden. Um das Risiko einer Übertragung auf andere Personen möglichst gering zu halten, empfehlen sich folgende Vorsichtsmassnahmen: keine Zulassung zur Blutspende; keine gemeinsame Benützung von Rasierapparaten und Zahnbürsten; Verwendung eines Kondoms während und einige Tage nach der Menstruation.(10)

Interferon-alpha

Die antivirale Wirkung von Interferon-alpha beruht auf einer Hemmung der Virusreplikation und auf komplexen Interaktionen mit dem Immunsystem. In der Schweiz sind zwei gentechnologisch hergestellte Interferon-alpha-Präparate (Interferon-alpha-2a = Roferon A® und Interferon-alpha-2b = Intron A®) zur Behandlung der Hepatitis C verfügbar. Diese beiden Substanzen, die sich nur in einzelnen Aminosäuren voneinander unterscheiden, sind bisher nicht direkt miteinander verglichen worden. Lymphoblastoides Interferon-alpha (Interferon-alpha-n1) ist für diese Indikation bisher nicht von der IKS registriert. Interferon-alpha wird nach subkutaner oder intramuskukulärer Injektion zu 90% systemisch verfügbar. Die Eliminationshalbwertszeit wird mit 3 bis 8 Stunden angegeben; die biologische Wirkung einer Einzeldosis soll aber deutlich länger anhalten. Interferon-alpha wird hauptsächlich renal ausgeschieden.

Voraussetzungen
Zur Zeit ist nur die serologisch und histologisch gesicherte chronische Hepatitis C mit erhöhten Transaminasen und nachgewiesener Virämie als Indikation einer Interferon-Behandlung anerkannt.(11) Die Transaminasen sollten bei zwei oder mehr Bestimmungen mindestens das Eineinhalbfache der oberen Normgrenze betragen.

Klinische Studien bei chronischer Hepatitis C
Die ersten Studien wurden in einer Zeit durchgeführt, als noch keine serologische Diagnostik verfügbar war. Aufgenommen wurden Patienten mit erhöhten Transaminasen, bei welchen man aufgrund der Anamnese und der Histologie und nach Ausschluss anderer Leberkrankheiten eine Non-A-non-B-Hepatitis vermutete. Seit dem Jahr 1989 lässt sich der Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern als Einschlusskriterium verwenden.
Interferon-alpha wurde mehrheitlich in der Standarddosis von dreimal 3 Mio. IE pro Woche während sechs Monaten verabreicht. In placebokontrollierten Studien fand sich während der Behandlung bei rund 50% der Patienten eine Abnahme der histologischen Entzündungsaktivität, die mit einer Normalisierung der Transaminasen einherging. Dauerhafte Remissionen liessen sich jedoch nur in 10 bis 20% der Fälle dokumentieren.(12,13)
Diese enttäuschenden Resultate gaben Anlass, die Wirksamkeit anderer Therapieschemata zu untersuchen. In einer randomisierten Multizenterstudie führte die Applikation von dreimal 3 Mio. IE Interferon-alpha-2b pro Woche während 18 Monaten bei 23 von 103 Patienten zu einer mindestens 6 Monate über die Behandlung hinaus anhaltenden Normalisierung der Transaminasen. In den beiden weniger intensiv behandelten Gruppen (101 Patienten: 6 Monate lang dreimal 3 Mio. IE pro Woche, anschliessend 12 Monate lang dreimal 1 Mio. IE pro Woche; 99 Patienten: 6 Monate lang dreimal 3 Mio. IE pro Woche) verzeichnete man nur bei knapp 10% der Patienten einen anhaltenden Therapieeffekt.(14) Der Verlauf der Virämie wurde nur bei einer Minderheit der Behandelten verfolgt. Die Aussagekraft der bei 176 Patienten durchgeführten histologischen Kontrolle wird entscheidend geschmälert durch die Tatsache, dass sie schon bei Therapieende (und nicht erst 6 Monate später) erfolgt ist.
Eine italienische Multizenterstudie untersuchte die Wirksamkeit einer höheren Interferondosis.(15) Sie umfasste 174 Patienten mit einem relativ niedrigen Durchschnittsalter und einer mittleren Krankheitsdauer von 5 Jahren. Bei 18% der Patienten war histologisch eine Leberzirrhose nachweisbar. Die bei allen HCV-RNS-positiven Individuen durchgeführte Genotypisierung ergab ein für Westeuropa charakteristisches Verteilungsmuster mit einem Überwiegen der Genotypen 1b und 2a. Nach offener Randomisierung erhielten 59 Patienten während 4 bis 6 Monaten wöchentlich dreimal 6 Mio. IE, danach während 6 bis 8 Monaten dreimal 3 Mio. IE Interferon-alpha-2a pro Woche (Therapiezeit immer 12 Monate). In den beiden andern Gruppen wurden entweder 12 Monate lang dreimal 3 Mio. IE (61 Patienten) oder 6 Monate lang dreimal 6 Mio IE (54 Patienten) Interferon-alpha-2a pro Woche verabreicht. Gemäss der 12 Monate nach Therapieende durchgeführten Intention-to-treat-Analyse fand sich in der ersten Gruppe bei 55%, in den Vergleichsgruppen bei je knapp 40% der Patienten eine Abnahme der histologischen Entzündungsaktivität. Die histologischen Befunde korrelierten enger mit der HCV-RNS-Serumkonzentration als mit den Transaminasenwerten.(15)
Es ist bisher nicht bekannt, ob Interferon die Prognose von Hepatitis-C-Patienten verbessert. Eine prospektive Untersuchung hat aber immerhin gezeigt, dass eine Interferon-Behandlung die Inzidenz des hepatozellulären Karzinoms vermindern kann. Sie umfasste 90 Patienten, die infolge einer Hepatitis C an Leberzirrhose erkrankt waren. Während einer Beobachtungszeit von 2 bis 7 Jahren entwickelten nur 2 der 45 mit Interferon-alpha-n1 (6 Mio. IE dreimal pro Woche während 3 bis 6 Monaten) Behandelten ein hepatozelluläres Karzinom gegenüber 17 von 45 Patienten, die symptomatisch behandelt wurden.(16)
Zur Wirksamkeit und Sicherheit einer langfristig durchgeführten, niedrigdosierten Erhaltungstherapie gibt es noch keine Daten.

Voraussage des Therapieerfolgs
Den Umständen, die für oder gegen einen Nutzen von Interferon sprechen, sollte zukünftig mehr Gewicht beigemessen werden, damit ein differenzierterer Umgang mit dieser Therapie möglich wird.(17) Mehrere retrospektive Analysen ermöglichen es schon heute, eine Anzahl von Charakteristika zu nennen, die wahrscheinlich mit einem guten Langzeiterfolg der Interferon-Behandlung assoziiert sind. Die besten Behandlungschancen haben offenbar Leute unter 45 Jahren mit einer Krankheitsdauer von weniger als fünf Jahren, die keine zirrhotischen Leberveränderungen, niedrige Eisenkonzentrationen im Lebergewebe, niedrige HCV-RNS-Spiegel aufweisen und vom Genotyp 2 oder 3 des HCV infiziert sind.(5) Von den mit dem Genotyp 1 Infizierten sprachen in den bisherigen Studien meistens weniger als 10% auf Interferon-alpha an.(5) Möglicherweise muss bei hoher Viruskonzentration oder bei Infektion mit dem Genotyp 1 Interferon höher dosiert werden, als es derzeit empfohlen wird.(15) Die prädiktive Bedeutung der Viruskonzentration und des HCV-Genotyps sollte unbedingt prospektiv an einem grossen Kollektiv untersucht werden. Die Tatsache, dass ältere Patienten weniger gut auf Interferon ansprechen, wird insofern relativiert, als Personen, die zum Zeitpunkt der Infektion über 60 Jahre alt gewesen sind, ein sehr niedriges Risiko haben, an den Folgen der Hepatitis C zu sterben. Auch bei Vorliegen einer Leberzirrhose überwiegen die Risiken den potentiellen Nutzen einer Behandlung.

Unerwünschte Wirkungen

Interferon-alpha muss bei 2 bis 7% der Hepatitis-C-Patienten wegen Nebenwirkungen abgesetzt werden. Die bei neoplastischen Erkrankungen verwendeten, höheren Interferondosen verursachen mehr unerwünschte Wirkungen.
Zu Beginn der Behandlung treten bei fast allen Patienten grippeähnliche Symptome (Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen) auf. Sie lassen sich mit Paracetamol oder nichtsteroidalen Entzündungshemmern abschwächen. Auch gastrointestinale Störungen, psychische Beschwerden, vermehrter Haarausfall und eine leichte, reversible Knochenmarksdepression sind häufig. Personen mit Hypersplenismus, die schon vor der Behandlung niedrige Leukozyten- oder Thrombozytenwerte aufweisen, sind besonders gefährdet, eine therapielimitierende Leukopenie oder Thrombopenie zu entwickeln.
Selten kommen auch gefährliche Nebenwirkungen vor, namentlich Agranulozytose, schwere neuropsychiatrische Symptome (Epilepsie, Koma, Delirium, akute Psychose, Depression mit Suizidalität), akute interstitielle Nephritis und Kardiomyopathie, in Einzelfällen auch eine Verschlechterung der Hepatitis. Diese Reaktionen erfordern ein sofortiges, definitives Absetzen von Interferon.(18)
Eine mehrmonatige Verabreichung von Interferon führt bei rund der Hälfte der Patienten zur Bildung von Autoantikörpern. Eine klinisch manifeste Autoimmunerkrankung findet sich zwar nur bei 2% der Behandelten, diese ist aber in der Regel auch nach Absetzen der Therapie nicht reversibel. Am häufigsten wird eine Thyreoiditis mit Hypo- oder Hyperthyreose beobachtet.(18)
Im Verlauf der Behandlung entwickeln bis 20% der Patienten Antikörper gegen Interferon. Dies scheint jedoch nicht mit einem relevanten Wirkungsverlust des Medikamentes verbunden zu sein.(19) Bei Leberzirrhose kann Interferon-alpha ein akutes Leberversagen auslösen.

Verabreichung, Dosierung, Kosten
Interferon-alpha-2a (Roferon®) ist als albuminfreie Lösung in fünf Ampullengrössen mit einem Gehalt zwischen 3 und 18 Mio. IE erhältlich. Interferon-alpha-2b (Intron A®) enthält als Hilfsstoff Albumin (aus gepooltem menschlichem Plasma) und wird in sechs verschiedenen, teilweise gebrauchsfertigen Ampullen mit einem Gehalt zwischen 1 und 25 Mio. IE angeboten. Beide Präparate sind von Mitte März 1997 an limitiert zur Behandlung der chronischen Hepatitis C kassenzulässig (siehe unten).
Gemäss den Empfehlungen von drei Schweizer Hepatologen-Fachgesellschaften wird Interferon-alpha bei Hepatitis C in einer Dosis von 3 bis 6 Mio. IE dreimal pro Woche subkutan injiziert. «Responder» – Personen, bei denen nach drei Monaten Behandlung keine HCV-RNS mehr nachweisbar ist – sollen gemäss diesen Empfehlungen während zwölf Monaten behandelt werden.(11) Bei «Non-Respondern» soll die Behandlung nach drei Monaten abgebrochen werden. Die von den Herstellerfirmen veröffentlichten Angaben zu Dosis und Therapiedauer weichen von diesen Empfehlungen teilweise beträchtlich ab. Die Krankenkassen werden ab März 1997 zur Übernahme von nur sechs Monaten Interferon-alpha-Behandlung verpflichtet. Da heute eine Meta-Analyse vorliegt, die den höheren Nutzen einer längeren Behandlung dokumentiert,(20) ist anzunehmen, dass in Zukunft bei «Respondern» weltweit eine zwölfmonatige Behandlung empfohlen wird.
Die Arzneimittelkosten für eine 12monatige Behandlung liegen – abhängig vom individuell festgelegten Dosierungsschema – zwischen 10'000 und etwa 15'000 Franken. Die beiden Präparate Intron A® und Roferon A® sind ungefähr gleich teuer (pro IE). Kontraindiziert ist Interferon-alpha bei schwangeren und stillenden Frauen, bei Jugendlichen unter 18 Jahren, bei Autoimmunerkrankungen, Schilddrüsenleiden, Epilepsie, schweren psychischen Erkrankungen, HIV-Infektion, Alkoholismus, dekompensierter Leberzirrhose, Immunsuppression und bei hämatologischen Störungen (Leukozyten unter 2000/ml, Thrombozyten unter 50'000/ml).(11)

Therapiekontrolle
Die Überwachung der Interferon-Behandlung ist bisher nicht stan-dardisiert. Sie dient einerseits der Erfassung von toxischen Reaktionen, anderseits der möglichst frühzeitigen Beurteilung des Therapieeffekts.
Ist zwei Monate nach Therapiebeginn immer noch eine Virämie vorhanden oder sind noch erhöhte Transaminasen nachweisbar, so ist die Weiterführung der Behandlung wenig aussichtsreich. Die Wahrscheinlichkeit einer späteren Reaktivierung der Hepatitis scheint gering zu sein, wenn die HCV-RNS im Serum bis 12 Monate nach Therapieende negativ geblieben ist. Noch nicht geklärt ist die Bedeutung einer ohne biochemische und histologische Entzündungszeichen persistierenden Virämie.(18) In Tabelle 1 findet sich ein Schema, nach dem die Interferon-Behandlung kontrolliert werden kann.

Beurteilung
Interferon-alpha ist heute das Medikament der Wahl zur Behandlung der chronischen Hepatitis C. Viele Aspekte einer Interferon-Behandlung haben aber noch experimentellen Charakter. Über die optimale Dosis und Therapiedauer sowie über die Kriterien, nach welchen ein Behandlungserfolg definiert werden soll, sind sich die Fachleute zur Zeit nicht einig. Ob Präparate verschiedener Hersteller tatsächlich – wie es zur Zeit empfohlen wird – in unterschiedlicher Dosis gegeben werden sollen, lässt sich nicht sagen, solange keine direkten Vergleiche zwischen verschiedenen Interferon-Präparaten vorliegen.
Der Entscheid, eine Interferon-alpha-Therapie durchzuführen, muss deshalb individuell sehr sorgfältig überdacht werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

  • wie gross die Chance voraussichtlich ist, dass eine Person auf Interferon-alpha anspricht
  • wie hoch das Risiko von Nebenwirkungen einer solchen Therapie eingeschätzt wird und
  • in welchem Ausmass der oder die Betroffene auf Lebenszeit mit einer Beeinträchtigung von Lebensqualität oder Lebensdauer rechnen muss.

Ein Teil der Fachleute ist der Ansicht, dass eine Interferon-Behandlung auch heute noch nur in klinischen Studien durchgeführt werden sollte. Jedenfalls sollte der Entschluss, eine Therapie mit Interferon-alpha einzuleiten, nur in enger Zusammenarbeit mit erfahrenen Fachleuten gefällt werden.

Akute Hepatitis C
Interferon-alpha ist auch bei akuter Hepatitis C verwendet worden. Gemäss einigen kleinen Studien gelingt es so, die Entwicklung einer chronischen Hepatitis bei etwa der Hälfte der Erkrankten zu verhindern.(20) Unter der Voraussetzung, dass HCV-RNS im Serum nachgewiesen wurde, kann deshalb eine Interferon-Therapie als sinnvoll in Betracht gezogen werden.

Andere Medikamente

Das Breitspektrum-Virostatikum Ribavirin (Virazole®) bewirkt zwar bei manchen Patienten eine vorübergehende Normalisierung der Transaminasen, hat jedoch keinen Einfluss auf die Virämie und den Langzeitverlauf einer chronischen Hepatitis C.(21) Einige kleine Pilotstudien lassen jedoch annehmen, dass die Kombination von Interferon-alpha mit Ribavirin einer Interferon-Monotherapie überlegen ist.(5) Diese Hypothese wird zur Zeit in einer grossen multinationalen Studie untersucht.
Es sind noch einige andere Medikamente bei chronischer Hepatitis versucht worden. Überzeugende Resultate haben aber bisher weder die Ursodeoxycholsäure (De-ursil® u.a.) noch Kombinationen von Interferon-alpha mit nicht-steroidalen Entzündungshemmern erbracht. In der Absicht, den Eisengehalt der Leber zu senken, sind ferner Aderlässe durchgeführt worden, bisher ohne Erfolg.

Lebertransplantation

Hat die Hepatitis C zu einer dekompensierten Leberzirrhose geführt, so bleibt als einzige kurative Option die Lebertransplantation. Obwohl das Transplantat fast immer mit dem HCV infiziert wird, ist die Fünfjahres-Mortalität mit 30% nicht höher als nach Transplantation wegen nicht-infektiösen Leberkrankheiten.(22) Die immunsuppressive Therapie bedeutet allerdings eine heikle Gratwanderung zwischen Abstossung des Transplantates und Exazerbation der Hepatitis.

Kommentar

Fortschritte in der Interferon-Therapie der chronischen Hepatitis C sind ohne genauere Kenntnisse der Naturgeschichte bzw. der wichtigsten prognostischen Faktoren kaum zu erwarten. Damit in Zukunft die prognostische Bedeutung verschiedener Faktoren wie z.B. des viralen Genotyps, der Virämie und der Histologie besser gewichtet werden und in den individuellen Therapieentscheid einfliessen kann, sollte die Interferon-Therapie der chronischen Hepatitis C bei möglichst allen Patienten im Rahmen eines Studienprotokolls erfolgen.

M. Pirovino

Literatur

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Standpunkte und Meinungen

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Therapie der chronischen Hepatitis C (17. Februar 1997)
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