Neuere Makrolide

Übersicht

In den letzten zehn Jahren sind die halbsynthetisch hergestellten Makrolide Roxithromycin (Rulid®), Clarithromycin (Klacid®) und Azithromycin (Zithromax®) neu eingeführt worden.(1,2,3)

Die Entwicklung der neueren Makrolide hatte zum Ziel, im Vergleich zu Erythromycin eine höhere Säurestabilität und damit eine geringere Variabilität der gastrointestinalen Resorption zu erreichen. Erwünscht waren auch eine längere Halbwertszeit, ein erweitertes antimikrobielles Spektrum und weniger gastrointestinale Nebenwirkungen. Gut dokumentiert sind insbesondere Azithromycin und Clarithromycin; mit Roxithromycin, das in den USA nicht zugelassen ist, sind weniger Studien durchgeführt worden. Im folgenden Text wird ihr aktueller Stellenwert diskutiert sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede - insbesondere auch gegenüber Erythromycin (z.B. Erythrocin®) - aufgezeigt

Antimikrobielle Aktivität

Die Makrolide hemmen die Proteinsynthese und wirken so in der Regel bakteriostatisch.

Der Wirkungsbereich der älteren Makrolide (Prototyp: Erythromycin) umfasst zahlreiche grampositive und nur einige wenige gramnegative Erreger, Anaerobier und sogen. atypische Mikroorganismen wie Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen.

Roxithromycin hat im wesentlichen dasselbe Wirkungsspektrum wie Erythromycin. Wie dieses wirkt es nicht immer zuverlässig gegen Haemophilus influenzae. Auch das Spektrum von Clarithromycin weicht nicht stark von demjenigen von Erythromycin ab. Die Substanz hat jedoch eine stärkere Wirkung gegen Haemophilus influenzae. Clarithromycin hat von allen Makroliden die höchste in-vitro-Aktivität gegen Helicobacter pylori. Azithromycin ist von allen Makroliden am aktivsten gegen Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Neisseria gonorrhoeae und Mykoplasmen. Es ist jedoch weniger wirksam als die anderen Makrolide gegen Streptokokken und Bordetella pertussis. Azithromycin ist auch gegen Campylobacter sp. hochwirksam; Erythromycin ist allerdings klinisch viel besser dokumentiert.

Pharmakokinetik

Dank der höheren Säurestabilität werden die neueren Makrolide besser resorbiert als Erythromycin. Ihre Bioverfügbarkeit ist verhältnismässig konstant, wird allerdings im Fall von Clarithromycin auch durch eine präsystemische Biotransformation beeinflusst. Einige wichtige Merkmale sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

Makrolide zeichnen sich durch eine sehr gute Penetration in die Gewebe aus. Ihre Gewebekonzentrationen liegen nach einmaliger Gabe bis zu 12, bei Azithromycin bis zu 72 Stunden über dem MHK90-Wert der empfindlichen Erreger. Hohe Konzentrationen finden sich in fast allen Geweben ausser im Gehirn und im Liquor.

Roxithromycin und Azithromycin werden verhältnismässig wenig metabolisiert; über die Hälfte einer Dosis wird unverändert mit dem Stuhl ausgeschieden. Im Urin finden sich 5 bis 10% dieser Makrolide in unveränderter Form. Clarithromycin wird dagegen extensiv metabolisiert, wobei unter anderem ein mikrobiologisch aktiver 14-Hydroxymetabolit entsteht. Die Elimination erfolgt zu zwei Dritteln über Galle und Stuhl und zu einem Drittel über die Nieren. Die gleichzeitige Nahrungsaufnahme beeinträchtigt die Resorption von Azithromycin und Roxithromycin, nicht jedoch von Clarithromycin.

Wichtige Indikationen

Makrolide haben dank ihrem antimikrobiellen Spektrum einen breiten Anwendungsbereich, vor allem in der ambulanten Medizin.

Hier sollen zunächst Indikationen diskutiert werden, bei denen die neueren Makrolide als beste Optionen angesehen werden. Anschliessend folgt eine Besprechung von Infektionen, bei denen die Makrolide eine Möglichkeit unter anderen darstellen.

Pneumonien

Bei den ausserhalb des Spitals erworbenen Pneumonien ohne vorbestehende Lungenerkrankung gehen die Behandlungsempfehlungen verschiedener Fachleute und Gremien zwar weit auseinander. Für die Praxis werden die neueren Makrolide jedoch oft als Therapie der ersten Wahl angesehen.
Argumente zugunsten eines primären Einsatzes von neueren Makroliden lassen sich folgendermassen umschreiben:

- Azithromycin und Clarithromycin decken das Erregerspektrum (Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Mycoplasma pneumoniae, Legionella pneumophila) gut ab.

- Eine atypische Pneumonie lässt sich trotz genauer Anamnese, klinischer Untersuchung, Labor- und Röntgenkontrolle nicht zuverlässig von einer typischen Pneumonie unterscheiden, weshalb eine ursächliche Diagnose nur etwa in der Hälfte der Fälle gestellt werden kann.

Die Wirksamkeit der Makrolide bei ausserhalb des Spitals erworbenen Pneumonien ist gesamthaft gut dokumentiert. Erythromycin und Roxithromycin haben den Nachteil einer geringeren Aktivität gegen Haemophilus influenzae. Unter den zahlreichen möglichen Alternativen nennen amerikanische Autoren Doxycyclin oder ein Chinolon mit guter Anti-Pneumokokkenaktivität,(4)
insbesondere als Option bei älteren Personen.

Kranke mit schweren, lebensbedrohlichen Pneumonien oder mit einer ausgeprägten Komorbidität (Diabetes, Herzkranke, Karzinompatienten usw.) sollten zur Behandlung einer Pneumonie hospitalisiert werden, da ihre Pneumonie von ungewöhnlichen Erregern verursacht sein kann und die Letalität höher ist.

Nicht-Gonokokken-Urethritis

Die am häufigsten gefundenen Keime bei einer Nicht-Gonokokken-Urethritis (NGU) sind Chlamydia trachomatis und Ureaplasma urealyticum. Mindestens in einem Drittel der Fälle bleibt der Erreger unklar. Unbehandelt kann die Infektion bei Männern zu einer akuten Epididymitis oder chronischen Urethritis führen. Bei Frauen kann eine eitrige Zervizitis mit anschliessender Adnexitis auftreten, die später eine Ursache für eine ektopische Schwangerschaft oder Infertilität sein kann. Ausser den Makroliden sind Tetrazykline bei den zellwandlosen Bakterien wirksam.

Von den neueren Makroliden ist Azithromycin besonders gut dokumentiert. In einer multizentrischen Doppelblindstudie bei 452 Männern mit einer NGU wurde eine Einmaldosis von 1 g Azithromycin mit Doxycyclin (Vibramycin® u.a.; 200 mg/Tag für 7 Tage) verglichen. Die Heilungsrate war mit rund 80% in beiden Gruppen ähnlich. Auch in der Eradikationsrate von Ureaplasma urealyticum zeigten sich keine Unterschiede. Unerwünschte Wirkungen waren in der Doxycyclin-Gruppe nicht-signifikant häufiger.(5)
In der Schwangerschaft, wo sich die Anwendung von Tetrazyklinen verbietet, lässt sich eine Chlamydien-Urethritis zuverlässig mit Azithromycin behandeln. In einer randomisierten Studie wurde bei 85 Schwangeren mit einer nachgewiesenen Chlamydien-Zervizitis Azithromycin 1 g (einmalig) mit Erythromycin (4mal 500 mg während 7 Tagen) verglichen. Die Heilungsrate war mit rund 90% in beiden Gruppen ähnlich. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren in der Erythromycin-Gruppe jedoch signifikant häufiger.(6)

In einer anderen Studie bei 40 Frauen mit einer NGU war Clarithromycin (2mal 250 mg/Tag) Doxycyclin (2mal 100 mg/Tag) bezüglich der Eradikation von Chlamydia trachomatis ebenbürtig, doch in der Eradikation von Ureaplasma urealyticum weniger wirksam.(7) Azithromycin kann heute als Mittel der Wahl in der Therapie der NGU bezeichnet werden. Die Therapie mit Azithromycin hat den zusätzlichen Vorteil, dass nur eine einzige Arzneimittelgabe notwendig ist.

Eradikation von Helicobacter pylori

Die Rolle von Helicobacter pylori als hauptsächliche Ursache von peptischen Ulzera (insbesondere Duodenalulzera) ist weltweit anerkannt. Von vielen Fachleuten wird eine Dreierkombination mit Clarithromycin zur Eradikation von Helicobacter pylori empfohlen. Neben dem Makrolid wird meistens ein Aminopenicillin und ein Protonenpumpenhemmer verabreicht. Dabei genügt in der Regel eine Therapiedauer von 7 Tagen.

Die anderen Makrolide sind zwar nicht unwirksam für die Eradikation von Helicobacter, jedoch wesentlich weniger gut dokumentiert. Ausführliche Informationen zu diesem Thema finden sich in einem letztes Jahr in pharma-kritik veröffentlichten Artikel.(lit)

Nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen

Mycobacterium-avium-Komplex (MAC) und andere nicht-tuberkulöse Mykobakterien können bei reduzierter Immunabwehr zu Erkrankungen führen und sind seit der AIDS-Epidemie häufiger geworden. Die Therapie sollte bei positivem Keimnachweis mit zwei bis vier antimykobakteriellen Substanzen durchgeführt werden. Clarithromycin und Azithromycin haben eine dokumentierte Wirksamkeit:

Bei 229 AIDS-Kranken mit einer MAC-Infektion wurden zwei Therapien in einer randomisierten Studie verglichen. Die eine Gruppe erhielt vier Medikamente, nämlich Rifampicin (Rimactan® u.a.), Ethambutol (Myambutol® u.a.), Clofazimin (Lampren®) und Ciprofloxacin (Ciproxin®). Die andere Gruppe erhielt drei Medikamente, Rifabutin, Ethambutol und Clarithromycin. In der letzteren Gruppe war die mediane Überlebenszeit signifikant länger (9 Monate gegenüber 5 Monaten).(9)

In einer multizentrischen Doppelblindstudie erhielten 693 HIV-Infizierte (CD4-Zellzahl unter 100/mm3) Rifabutin (Mycobutin®; 2mal 300 mg/Tag) allein, Azithromycin (1mal 1200 mg/Woche) allein oder beide Medikamente kombiniert als MAC-Prophylaxe. Nach einem Jahr zeigte sich, dass Azithromycin signifikant wirksamer war als Rifabutin. Die Kombinationstherapie war am wirksamsten, zeigte jedoch am meisten Nebenwirkungen.(10)

In einer multizentrischen Doppelblindstudie wurden 667 AIDS-Kranke prophylaktisch entweder mit Clarithromycin (2mal 500 mg/Tag) oder mit Placebo behandelt. Bei 16% der mit Placebo Behandelten, aber nur bei 6% der aktiv Behandelten trat eine MAC-Infektion auf. Innerhalb von etwa 10 Monaten waren in der Clarithromycin-Gruppe 32% und in der Placebo-Gruppe 40% gestorben. Unter Clarithromycin klagten 11% über Geschmacksstörungen.(11)

Clarithromycin kann als ein Mittel der ersten Wahl sowohl zur Prophylaxe wie zur Therapie einer MAC-Infektion bezeichnet werden. Azithromycin zeigt eine gute Wirksamkeit in der Prophylaxe.

Weitere Indikationen

Pharyngitis/Tonsillitis

Bei einer durch Beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A verursachten Tonsillitis gelten Makrolide neben anderen Antibiotika (z.B. Cephalosporine) als Mittel der zweiten Wahl und werden vor allem bei einer Penicillinallergie eingesetzt.

In einer 10 Tage dauernden Vergleichsstudie war Clarithromycin-Suspension (Klaciped®) ebenso wirksam wie Phenoxymethylpenicillin (Megacillin® oral u.a.). Gastrointestinale Nebenwirkungen waren allerdings unter Clarithromycin signifikant häufiger.(12)

Azithromycin (10 oder 20 mg/kg/Tag, während 3 Tagen) wurde ebenfalls mit Phenoxymethylpenicillin (4mal täglich 125-250 mg, während 10 Tagen) verglichen. Dabei ergaben sich in beiden Gruppen praktisch identische klinische Heilungsraten (97-100%).(13)

Eine 3tägige Therapie mit Azithromycin zeigte ebenso gute Resultate wie eine 10tägige Behandlung mit Clarithromycin oder Cefaclor (Ceclor®).(14,15) Die Eradikationsrate mit Cefaclor war jedoch besser. Penicillin ist das einzige Antibiotikum, dessen Wirksamkeit in der Prävention des rheumatischen Fiebers gut dokumentiert ist; oral soll es während 10 Tagen verabreicht werden. Andere Antibiotika werden meistens ebenso lange verabreicht. Eine kürzere Behandlung kann ebenfalls zur mikrobiologischen Heilung führen; der Nachweis, dass dies zur Prävention des rheumatischen Fiebers genügt, ist jedoch formell nicht erbracht worden. Penicillin ist deshalb auch heute noch das Antibiotikum der ersten Wahl bei Streptokokken-Pharyngitis. Seine Wirksamkeit ist überzeugend dokumentiert; es hat zudem ein relativ enges antimikrobielles Spektrum und verursacht wenig unerwünschte Wirkungen und geringe Kosten.(lit)

Sinusitis

Die häufigsten Erreger einer akuten bakteriellen Sinusitis sind Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis. Auch hier stehen die neueren Makrolide in Konkurrenz zu mehreren anderen Antibiotika. Azithromycin und Clarithromycin sind ebenso wirksam wie Amoxicillin/Clavulansäure (Augmentin®) mit ungefähr der gleichen Anzahl von unerwünschten Wirkungen (vor allem gastrointestinaler Natur). Gemäss einer Metaanalyse ist jedoch Amoxicillin ebenso wirksam wie neuere Antibiotika (orale Cephalosporine, Makrolide).(17)

Bei einer chronischen Sinusitis wird oft Staphylococcus aureus gefunden. Dabei ist die Rolle der Infektion jedoch nicht eindeutig; die Bakterien sind möglicherweise nur sekundäre Besiedler der entzündeten Schleimhaut. Sofern eine antibiotische Therapie indiziert erscheint, soll in der Regel ebenfalls mit Amoxicillin behandelt werden. Makrolide und andere Alternativ-Antibiotika kommen allenfalls in Betracht, wenn Amoxicillin versagt.

Otitis media

Wie lange und ob überhaupt eine Otitis media antibiotisch behandelt werden soll, wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. Falls Antibiotika eingesetzt werden, sollten diese in der Regel 10 Tage lang gegeben werden. Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Moraxella catarrhalis sind die häufigsten Keime, die bei Otitis media gefunden werden. Amoxicillin, Cephalosporine und die neueren Makrolide wurden in verschiedenen Studien miteinander verglichen. Alle führten zu ähnlich guten Ergebnissen in bezug auf den klinischen Heilungserfolg.

Bronchitis

Eine akute Bronchitis ist meistens viralen Ursprings und soll deshalb in der Regel nicht antibiotisch behandelt werden.(18)
Auch bei der Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung profitiert wahrscheinlich nur eine Minderheit von einer antibiotischen Therapie.(19)

Soll jedoch im Einzelfall ein Antibiotikum verabreicht werden, so gelten bei der Exazerbation einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit Aminopenicilline wie Amoxicillin (Clamoxyl® u.a.) als Mittel der Wahl. Sind bei einer Bronchitis Chlamydien oder Mykoplasmen mitverantwortlich, so sind Makrolide oder Tetrazykline eine gute Wahl.



Probleme

Resistenzen


Die breite Anwendung von Makroliden hat in einigen Ländern zu Resistenzproblemen geführt. In Finnland hat in Blutkulturen die Resistenz von hämolysierenden Streptokokken auf Erythromycin innerhalb von 3 Jahren (1988-1990) von 4 auf 24% zugenommen. In der Schweiz sind 1993/94 5% Erythromycin-resistente Pneumokokkenstämme beobachtet worden.(20) In Spanien wurden 1997 23% Erythromycin-resistente und 13% Clarithromycin-resistente Pneumokokken gefunden. In den USA stieg in den Jahren 1997 bis 1998 die Resistenzrate von Pneumokokken gegenüber Clarithromycin von 18 auf 22%.


Unerwünschte Wirkungen

Die neueren Makrolide haben grundsätzlich dieselben unerwünschten Wirkungen wie Erythromycin, diese sind jedoch seltener und weniger ausgeprägt. Am häufigsten ist der Gastrointestinaltrakt betroffen, wobei Brechreiz und Erbrechen, weiche Stühle bis zu Durchfall und Bauchschmerzen beobachtet werden.

Seltenere Nebenwirkungen, die jedoch bei den neueren Substanzen nicht eindeutig weniger als bei Erythromycin vorkommen, sind Kopfschmerzen und eine Beeinträchtigung des Geschmacksinnes. Allergische Reaktionen sind ebenfalls selten; in Ausnahmefällen kommt es zu einem anaphylaktischen Schock. Bilirubin, Trans-aminasen und alkalische Phosphatase können (meistens vorübergehend) ansteigen. Einzelfälle von hepatotoxischen Reaktionen oder cholestatischem Ikterus sind unter allen Makroliden beobachtet worden, ebenso Blutbildveränderungen (Neutropenie, Eosinophilie), eine hämolytische Anämie oder eine Vaskulitis.

Clarithromycin hat in Tierversuchen teratogene Wirkungen gezeigt. Es ist deshalb als einziges der bekannten Makrolide in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Interaktionen

Erythromycin ist für seine Hemmwirkung auf das Zytochrom CYP3A4 und die daraus folgenden Interaktionen bekannt. Nach heutigem Wissen hemmt Clarithromycin CYP3A4 annähernd so stark wie Erythromycin. Die Hemmwirkung von Roxithromycin ist möglicherweise, von Azithromycin sehr wahrscheinlich geringer.

Klinisch relevante Interaktionen sind heute für Clarithromycin in annähernd ähnlichem Ausmass wie für Erythromycin dokumentiert. Problematisch sind zum Beispiel Interaktionen mit oralen Antikoagulantien, mit Midazolam (Dormicum®) sowie mit Substanzen, die zu einer Verlängerung des QT-Intervalls führen wie z.B. Astemizol (Hismanal®) und Cisaprid (Prepulsid®). Generell kann Clarithromycin zu einem Anstieg der Plasmaspiegel von Medikamenten führen, deren Metabolismus stark von CYP3A4 abhängt. Es ist nicht völlig klar, in welchem Ausmass diese Interaktionen auch mit Roxithromycin vorkommen.



Kostenvergleich

Die Kosten verschiedener Antibiotika sind schwierig zu vergleichen, da die zur Verfügung stehenden Packungsgrössen oft einer sehr unterschiedlichen Behandlungsdauer entsprechen. Wenn zum Beispiel nur Packungen erhältlich sind, die jeweils für 7 Tage genügen, so verdoppeln sich die Kosten, wenn für 8 (oder mehr) Tage behandelt werden soll. Es ist deshalb zu beachten, dass sich die in der Tabelle 2 genannten Zahlen nicht auf eine einheitliche Behandlungsdauer beziehen! Die neueren Makrolide sind nicht speziell billig. Sofern sie jedoch zweckmässig eingesetzt werden und die gewünschte Wirkung erreicht wird, lassen sich damit wesentlich höhere Kosten (infolge langer Krankheitsdauer oder Spitalaufenthalt) vermeiden.

Schlussfolgerungen

Die neueren Makrolide zeichnen sich gegenüber Erythromycin durch verbesserte pharmakokinetische Eigenschaften und geringere gastrointestinale Nebenwirkungen aus. Azithromycin und Clarithromycin haben zudem ein günstigeres antimikrobielles Spektrum als Erythromycin. Dies hat dazu geführt, dass die neueren Makrolide Erythromycin langsam verdrängen und in Zukunft möglicherweise ganz ersetzen werden.

Alle neueren Makrolide eignen sich zur Behandlung der «ambulant» erworbenen Pneumonie. Vor einem unbedachten Einsatz muss jedoch in Anbetracht der bereits nachweisbaren Resistenzentwicklung bei den Pneumokokken gewarnt werden.

Roxithromycin, das erste Präparat mit erhöhter Säurestabilität, ist vergleichsweise weniger dokumentiert geblieben. Im Vergleich mit den anderen neueren Makroliden sind zur Zeit keine speziellen Vorteile dieser Substanz auszumachen.

Clarithromycin hat sich als mögliche erste Wahl bei der Eradikation von Helicobacter pylori und in der Prophylaxe und Therapie der nicht-tuberkulösen Mykobakteriosen bei HIV-Infizierten etabliert - in beiden Fällen jeweils in Kombination mit zusätzlichen Antibiotika. Nachteile von Clarithromycin sind sein hohes Interaktionspotential und die Tatsache, dass es in der Schwangerschaft nicht gegeben werden darf.

Azithromycin ist speziell zur Behandlung einer Nicht-Gonokokken-Urethritis (als Einmaldosis) dokumentiert und kann auch für die Prophylaxe der nicht-tuberkulösen Mykobakteriosen verwendet werden. Seine lange Halbwertszeit ermöglicht oft eine verhältnismässig kurze Behandlungsdauer. In den USA ist die Dreitagestherapie mit Azithromycin allerdings bisher nicht zugelassen; stattdessen wird empfohlen, am ersten Tag die «volle» Dosis (für Erwachsene 500 mg) zu geben und nachher noch während vier Tagen mit der halben Dosis weiterzubehandeln. Die lange Halbwertszeit kann auch Nachteile haben. So verlaufen Azithromycin-induzierte allergische Reaktionen ausgesprochen prolongiert. Diskutiert wird auch, ob die während längerer Zeit nachweisbaren, relativ niedrigen Spiegel vermehrt zur Resistenzbildung Anlass geben könnten.

Nicht sinnvoll ist im allgemeinen der primäre Einsatz von neueren Makroliden bei Pharyngitis, Sinusitis, Otitis media und Bronchitis. Bei diesen Erkrankungen kommen Makrolide lediglich als Alternative in Frage, wenn z.B. eine Penicillinallergie besteht.

Literatur

  1. 1) Schudel P. pharma-kritik 1989; 11: 21-3
  2. 2) Keller M. pharma-kritik 1991; 13: 73-4
  3. 3) Majstorovic R. pharma-kritik 1994; 16: 25-6
  4. 4) Anon. Med Lett Drug Ther 1998; 40: 33-42
  5. 5) Stamm WE et al. JAMA 1995; 274: 545-9
  6. 6) Adair CD et al. Obstet Gynecol 1998; 91: 165-8
  7. 7) Stein GE et al. Pharmacotherapy 1995; 15: 727-31
  8. 8) Mion H. pharma-kritik 1997; 19: 41-4
  9. 9) Shafran SD et al. N Engl J Med 1996; 335: 377-83
  10. 10) Havlir DV et al. N Engl J Med 1996; 335: 392-8
  11. 11) Pierce M et al. N Engl J Med 1996; 335: 384-91
  12. 12) Still JG et al. Pediatr Infect Dis J 1993; 12: 134-41
  13. 13) O'Doherty B. Eur J Clin Microbiol Infect Dis 1996; 15: 718-24
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  16. 16) Bisno AL et al. Clin Infect Dis 1997; 25: 574-83
  17. 17) de Ferranti SD et al. Br Med J 1998; 317: 632-7
  18. 18) Gonzales R et al. JAMA 1997; 278: 901-4
  19. 19) Saint S et al. JAMA 1995; 273: 957-60
  20. 20) Zimmerli W. Schweiz Rundsch Med Prax 1996; 40: 1240-44

Standpunkte und Meinungen

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Neuere Makrolide (15. Mai 1999)
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