Rimonabant

Synopsis

Rimonabant (Acomplia®) wird zur Behandlung der Adipositas empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Beim Menschen sind zwei Cannabinoid-Rezeptoren identifiziert. Der Typ 1 (CB1) findet sich im Gehirn, wo er das System von Motivation und Belohnung zu steuern hilft, das für Appetit oder Substanzabhängigkeiten eine Rolle spielt. Auch in anderen Geweben kommt der CB1-Rezeptor vor; in den Fettzellen zum Beispiel scheint er an der Regulation der Lipolyse beteiligt zu sein. Der Typ 2 (CB2) wurde in Leukozyten nachgewiesen, wobei seine Funktion bislang nicht geklärt ist. Als physiologische Liganden der Cannabinoid- Rezeptoren fungieren prostaglandinähnliche Endocannabinoide, mit Anandamid und 2-Arachidonoylglycerol als den beiden Hauptvertretern.

Rimonabant blockiert selektiv den CB1-Rezeptor. Dadurch werden über eine zentrale Wirkung die Nahrungsmittelaufnahme vermindert sowie über eine periphere Wirkung im Fettgewebe die Lipidspiegel günstig beeinflusst und die Insulinresistenz herabgesetzt. Ferner wird bei Nikotinabhängigkeit das psychische Verlangen vermindert.(1,2)

Pharmakokinetik

Nach Einnahme von Rimonabant dauert es rund 2 Stunden, bis der maximale Plasmaspiegel gemessen wird. Die biologische Verfügbarkeit ist nicht bestimmt (dürfte aber gemäss Ergebnissen im Tierversuch eher gering sein). Gleichzeitig eingenommene Nahrungsmittel erhöhen den resorbierten Anteil um etwa 50%. Die Plasmaeiweissbindung ist sehr hoch (über 99%). Rimonabant wird in der Leber über CYP3A4 und zu einem geringeren Teil über eine Amidohydrolase abgebaut und anschliessend über die Galle eliminiert. Die Metaboliten scheinen nicht zur pharmakologischen Aktivität beizutragen. Rund ein Drittel der verabreichten Dosis wird unverändert über den Stuhl ausgeschieden, was möglicherweise dem nicht resorbierten Teil entspricht. Die Halbwertszeit beträgt bei gesunden Normalgewichtigen etwa 10 Tage, bei Übergewichtigen wegen eines grösseren Verteilungsvolumens 16 Tage. Bei Niereninsuffizienz erhöht sich die Fläche unter der Konzentrationszeitkurve um schätzungsweise 40%; bei Leberinsuffizienz ist infolge eines Anstiegs des Verteilungsvolumens mit einer Verlängerung der Halbwertszeit zu rechnen.(2)

Klinische Studien

In klinischen Studien ist Rimonabant sowohl bei der Adipositas als auch bei der Tabakentwöhnung getestet worden. Bei den Untersuchungen zur Tabakentwöhnung liess sich indessen kein klarer Nutzen erkennen, so dass dieses Einsatzgebiet fallengelassen wurde.

Bei der Adipositas lag der Schwerpunkt des Prüfprogramms auf vier grossen Studien, die unter dem Kürzel RIO («Rimonabant in Obesity») liefen und denen ein ähnliches Protokoll zugrundelag. In diesen Studien verglich man zwei verschiedene Dosen Rimonabant (5 mg/Tag oder 20 mg/Tag) doppelblind mit Placebo. Begleitend war eine hypokalorische Diät (mit einem Minus von 600 kcal/Tag) vorgesehen; dazu wurden die Teilnehmenden aufgefordert, ihre körperliche Aktivität zu steigern. Als primären Endpunkt legte man die Gewichtsabnahme fest, die nach 1 Jahr erzielt wurde.

Der wichtigste Unterschied in den vier Studien bestand aus den Einschlusskriterien, die etwas voneinander abwichen: Zwei Studien, mit den Bezeichnungen «RIO-Europe» (n=1507)(3)und «RIO-North America» (n=2970),(4) befassten sich mit Personen, die einen Körpermassenindex (BMI) von über 30 kg/m² aufwiesen oder einen BMI von über 27 kg/m² in Kombination mit einer arteriellen Hypertonie oder einer Dyslipidämie. In der dritten Studie, «RIO-Lipids» (n=1018),(5) wurden Leute untersucht, die einen BMI über 27 kg/m² sowie einen Triglyzeridspiegel von mindestens 1,7 mmol/l oder einen Gesamt-/HDLCholesterin- Quotienten von über 5,0 (Männer) bzw. 4,5 (Frauen) hatten. Für die vierte Studie, «RIO-Diabetes » (n=1045),(6) waren als Einschlusskriterien ein BMI über 27 kg/m² und ein Typ-2-Diabetes, der trotz oraler Antidiabetika ungenügend eingestellt war, festgelegt. In diesen vier Studien erreichte man mit der höheren Rimonabant-Dosis eine Gewichtsreduktion von 5,3 bis 6,9 kg, mit der niedrigeren Rimonabant- Dosis von 2,3 bis 3,4 kg und mit Placebo von 1,4 und 1,8 kg. Der Anteil derjenigen, bei denen das Gewicht um mehr als 5% bzw. 10% abnahm, betrug unter der höheren Rimonabant- Dosis 49 bis 58% bzw. 16 bis 33%, unter der niedrigeren 22 bis 33% bzw. 6 bis 11% und unter Placebo 15 bis 20% bzw. 2 bis 9%. Es liegt auch eine Cochrane-Übersicht vor, in der diese Daten soweit wie möglich in eine Metaanalyse übergeführt wurden: dabei wurde für die höhere Rimonabant-Dosis im Vergleich zu Placebo ein zusätzlicher Gewichtsverlust von 4,9 kg und für die niedrigere Dosis von 1,3 kg berechnet.(7)

In der Studie «RIO-North America» wurde in den Rimonabant- Gruppen nach 1 Jahr eine erneute Randomisierung durchgeführt, in dem Sinne, dass die Teilnehmenden entweder mit derselben Rimonabant-Dosis weiterbehandelt wurden oder neu Placebo bekamen. Dabei ergab sich, dass sich mit einer Fortführung der Rimonabant-Therapie der im ersten Jahr resultierte Gewichtsverlust im zweiten Jahr stabilisieren liess, während beim Wechsel auf Placebo das Gewicht wieder anstieg und der Therapieerfolg verlorenging.

In den vier Studien zeigte sich auch, dass Rimonabant den Triglyzeridspiegel senken, den HDL-Cholesterinspiegel erhöhen und bei Diabeteskranken den Nüchtern-Blutzuckerspiegel und den HbA1c-Wert reduzieren kann; signifikante Unterschiede sind allerdings nur mit der höheren Rimonabant-Dosis zu erwarten. Der Blutdruck liess sich durch Rimonabant nicht oder höchstens marginal senken.

Vergleiche mit anderen Mitteln, die zur Gewichtsreduktion bei Adipositas zur Verfügung stehen, wie Orlistat (Xenical®) oder Sibutramin (Reductil®) haben nicht stattgefunden.

Unerwünschte Wirkungen

Die häufigsten Nebenwirkungen von Rimonabant waren gastrointestinale Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Stuhlinkontinenz), neurologische Symptome (Schwindel, Schläfrigkeit, Aufmerksamkeitsstörungen) und psychiatrische Probleme (Schlaflosigkeit, Angstzustände, Stimmungsschwankungen, Depressivität, Reizbarkeit). Auch Müdigkeit, Pruritus, verstärktes Schwitzen, Sehnenentzündungen, Rückenschmerzen und Grippesymptome traten unter Rimonabant häufiger auf als unter Placebo.(2)

Interaktionen

Wie nachgewiesen wurde, können CYP3A4-Hemmer zu einer verstärkten Rimonabant-Exposition führen. Analog ist mit einem beschleunigten Rimonabant-Abbau zu rechnen, wenn es mit CYP3A4-Induktoren kombiniert wird. In vitro zeigte Rimonabant eine schwache Hemmwirkung gegenüber CYP2C8, was klinisch aber nicht relevant zu sein scheint.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Rimonabant (Acomplia®) wird als Tabletten zu 20 mg angeboten und soll 1-mal pro Tag, morgens vor dem Frühstück eingenommen werden. Es ist zugelassen zur Behandlung einer Adipositas, und zwar bei einem BMI über 30 kg/m² oder bei einem BMI über 27 kg/m² in Kombination mit mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor, falls andere gewichtsreduzierende Massnahmen erfolglos geblieben sind. Die Behandlung mit Rimonabant soll von einer Diät mit verminderter Energiezufuhr begleitet sein. Bei ausgeprägter Leber- oder Niereninsuffizienz sowie bei Personen, die an einer Depression oder anderen psychiatrischen Erkrankung leiden, soll Rimonabant nicht verschrieben werden. Bei Kindern und Jugendlichen ist das Mittel nicht geprüft. Im Tierversuch wurden unter Rimonabant Missbildungen beobachtet, weshalb das Medikament in der Schwangerschaft als kontraindiziert gilt. Auch in der Stillperiode soll Rimonabant nicht angewendet werden.

Rimonabant ist kassenzulässig und kostet monatlich 126.75 Franken. Orlistat (Xenical®, 3-mal 120 mg/Tag) ist mit 128.15 Franken ungefähr gleich teuer; bei Sibutramin (Reductil®, 1-mal 10 oder 15 mg/Tag) ist der Preis je nach verwendeter Dosierung minim bis deutlich höher (130.80 bzw. 176.25 Franken).

Kommentar

Mit Rimonabant lässt sich bei Adipositas eine Gewichtsabnahme erreichen, die sich etwa in derselben Grössenordnung bewegt wie bei Orlistat oder Sibutramin (wobei man dies ohne Direktvergleiche lediglich abschätzen kann). Auch Rimonabant vermag die grundsätzliche Skespis nicht zu beseitigen, die bei dieser Medikamentengruppe aufkommt: die Gewichtsreduktion, die man erwarten kann, ist nicht sehr ausgeprägt und verliert sich wieder, wenn die Behandlung abgesetzt wird; die Ausfallsquoten sind relativ hoch mit über einem Drittel, die im Laufe des ersten Jahres die Behandlung abbrechen; es ist nicht geklärt, ob diese Substanzen nicht nur «Kosmetik» bieten, sondern auch harte Endpunkte beeinflussen und das Risiko von adipositasassoziierter Morbidität und Mortalität senken können. Im Falle von Rimonabant sind die fehlenden Langzeitdaten auch wegen der möglichen Nebenwirkungen ein Grund zur Vorsicht, allein wenn man bedenkt, dass Rimonabant rund doppelt so häufig neuropsychiatrische Probleme hervorrief wie Placebo.

Standpunkte und Meinungen

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Rimonabant (12. Juli 2007)
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pharma-kritik, 29/No. 2
PK29
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