Palonosetron
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 29
, Nummer 17, PK198
Redaktionsschluss: 16. April 2008
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2007.198 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Palonosetron (Aloxi®) wird zur Verhütung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapien empfohlen.
Chemie/Pharmakologie
Zytostatika verursachen häufig Übelkeit und Erbrechen. Dies scheint darauf zu beruhen, dass die Chemotherapie enterochromaffine Zellen im Gastrointestinaltrakt schädigt. Dadurch wird Serotonin freigesetzt, das serotoninerge 5-HT3-Rezeptoren stimuliert, die sich sowohl an afferenten, zum Brechzentrum führenden Fasern des N. vagus befinden als auch in der Chemorezeptor- Triggerzone in der Area postrema des Gehirns.(1,2)
Palonosetron gehört wie beispielsweise Ondansetron (Zofran® u.a.) zur Gruppe der «Setrone». Diese Substanzen blockieren selektiv 5-HT3-Rezeptoren und wirken so antiemetisch, wobei sie bei einer Chemotherapie das akute Erbrechen in der Regel besser beeinflussen als das verzögerte.
Pharmakokinetik
Von Palonosetron, das man intravenös injiziert, wird die Hälfte in der Leber über CYP2D6 und zu einem kleineren Teil über CYP3A4 und CYP1A2 abgebaut. Rund 40% werden unverändert renal eliminiert. Die Halbwertszeit beträgt im Durchschnitt knapp 40 Stunden, ist aber bei einzelnen Individuen sehr viel länger (über 300 Stunden). Bei Leber- oder Niereninsuffizienz kann sich die Pharmakokinetik verändern, jedoch nicht so ausgeprägt, dass eine Dosisanpassung erforderlich wäre.(2,3)
Klinische Studien
Palonosetron wurde in drei Doppelblindstudien, die einem ähnlichen Schema folgten, mit anderen 5-HT3-Antagonisten verglichen. Die Antiemetika wurden intravenös als Einzeldosis 30 Minuten vor Beginn der Chemotherapie verabreicht, wobei man bei Palonosetron jeweils zwei verschiedene Dosierungen (0,25 mg und 0,75 mg) verwendete. Primärer Endpunkt war die Häufigkeit eines kompletten Ansprechens innerhalb der ersten 24 Stunden – dadurch definiert, dass in dieser Frist kein Erbrechen auftrat und kein Reserve-Antiemetikum benötigt wurde.
In zwei Studien wurde Palonosetron bei Krebskranken geprüft, bei denen eine mässiggradig emetogene Chemotherapie durchgeführt wurde (die ohne Antiemetika in 30 bis 90% der Fälle Erbrechen hervorruft). In der einen Studie (n=563) wurde Palonosetron oder Ondansetron (32 mg) verabreicht. Mit der niedrigeren Palonosetron-Dosis erreichte man bei 81% der Behandelten ein komplettes Ansprechen, mit der höheren bei 74% und mit Ondansetron bei 69%. Der Unterschied zwischen der niedrigen Palonosetron-Dosis und Ondansetron ist signifikant.(4) In der anderen Untersuchung (n=569) wählte man Dolasetron (Anzemet®, 100 mg) als Vergleichssubstanz. Die Ansprechrate lag hier unter der niedrigeren Palonosetron-Dosis bei 63%, unter der höheren bei 57% und unter Dolasetron bei 53%.(5) Der Anteil der Personen, die in diesen beiden Studien als antiemetische Prophylaxe neben dem 5-HT3-Antagonisten auch Dexamethason (Fortecortin® u.a.) oder ein anderes Kortikosteroid erhalten hatten, betrug 0 bzw. 5%.
Bei der dritten Untersuchung (n=667) wurde die prophylaktische Wirkung bei einer stark emetogenen Chemotherapie – zum Beispiel mit Cisplatin (Platinol® u.a.) oder hochdosiertem Cyclophosphamid (Endoxan®) – geprüft. Dabei ergab sich zwischen Palonosetron und Ondansetron (32 mg) kein signifikanter Unterschied: mit der niedrigeren Palonosetron-Dosis liessen sich Brechreiz und Erbrechen bei 59%, mit der höheren Dosis bei 66% und mit Ondansetron bei 57% verhüten. Zwei Drittel der Behandelten hatten vor der Chemotherapie zusätzlich Dexamethason bekommen.(6)
Beim verzögerten Erbrechen – vom zweiten bis fünften Tag nach der Chemotherapie – half Palonosetron in allen drei Studien besser als die beiden anderen 5-HT3-Antagonisten. Angesichts der deutlich längeren Halbwertszeit von Palonosetron ist dieses Resultat nicht überraschend. Einem «fairen» Vergleich hätte es entsprochen, wenn Ondansetron und Dolasetron nicht nur einmal, sondern wiederholt verabreicht worden wären.
Unerwünschte Wirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Palonosetron sind gastroinestinale Beschwerden (Verstofung, Durchfall, Bauchschmerzen), Kopfschmerzen und Schwindel. Als seltenere Probleme traten Lokalreaktionen an der Injektionsstelle, Fieber, grippeartige Symptome, Juckreiz oder Überempfindlichkeitsreaktionen, Müdigkeit und Schlaflosigkeit auf.(3) Unter 5-HT3-Antagonisten kann sich die QT-Zeit verlängern; obschon dieser Effekt bei Palonosetron in den durchgeführten EKG-Untersuchungen nicht beobachtet wurde, kann er nicht ausgeschlossen werden.
Interaktionen
Bislang sind keine Interaktionen dokumentiert. Zytochrom- Hemmer oder -Induktoren scheinen die Elimination von Palonosetron nicht bedeutsam zu beeinflussen.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Palonosetron (Aloxi®) ist als 5-ml-Ampullen zu 0,25 mg erhältlich. Es wird eine halbe Stunde vor einer Chemotherapie über 30 Sekunden injiziert. Zwischen zwei Verabreichungen sollen mindestens 7 Tagen liegen. Die Zulassung beschränkt sich auf die antiemetische Prophylaxe bei Chemotherapie und umfasst im Gegensatz zu anderen 5-HT3-Antagonisten nicht auch das postoperative Erbrechen. Zur Anwendung bei Kindern und Jugendlichen sowie in der Schwangerschaft und Stillzeit existieren keine Daten.
Eine Ampulle Palonosetron kostet 148.55 Franken. Die anderen 5-HT3-Antagonisten, die sowohl zur oralen als auch intravenösen Verabreichung zur Verfügung stehen, sind preisgünstiger. Das billigste Ondansetron-Generikum verursacht Kosten von CHF 28.20 (drei 8 mg-Tabletten); verabreicht man das Ondansetron-Originalpräparat intravenös in der Höchstdosis von 32 mg, so kostet es 106 Franken.
Kommentar
Die vorliegenden Daten mögen den Eindruck vermitteln, Palonosetron sei etwas wirksamer als Konkurrenzpräparate. Dennoch gibt es keinen überzeugenden Grund, es anstelle der billigeren älteren 5-HT3-Antagonisten für die Antiemetika- Prophylaxe zu propagieren. Den drei Studien, in denen Palonosetron mit anderen 5-HT3-Antagonisten verglichen wurde, haftet nämlich ein wesentliches Manko an: Nach den heutigen Richtlinien ist bei einer mässiggradig oder stark emetogenen Chemotherapie obligat eine antiemetische Zweier- oder Dreierkombination mit einem 5-HT3-Antagonisten, Dexamethason und eventuell Aprepitant (Emend®) vorzusehen.(7)Somit war in den vorliegenden Studien das Gros der Teilnehmenden unterbehandelt; die beobachteten Unterschiede lassen sich deshalb nicht auf den klinischen Alltag übertragen. Um wirklich praxisrelevante Resultate zu erhalten, müsste man Palonosetron im Rahmen einer antiemetischen Kombinationsbehandlung prüfen.
Literatur
- 1) Thompson AJ, Lummis SC. Expert Opin Ther Targets 2007; 11: 527-40
- 2) Siddiqui MA, Scott LJ. Drugs 2004; 64: 1125-32
- 3) http://www.emea.europa.eu/humandocs/PDFs/EPAR/aloxi/056305en6.pdf
- 4) Gralla R et al. Ann Oncol 2003; 14: 1570-7
- 5) Eisenberg P et al. Cancer 2003; 98: 2473-82
- 6) Aapro MS et al. Ann Oncol 2006; 17: 1441-9
- 7) Kris MG et al. J Clin Oncol 2006; 24: 2932-47
Standpunkte und Meinungen
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