Bupropion als Antidepressivum

Synopsis

Bupropion (Amfebutamon), bisher unter dem Markennamen Zyban® als Hilfsmittel bei der Entwöhnung vom Rauchen bekannt, wird neu auch in der Schweiz als Antidepressivum (Wellbutrin® XR) angeboten.

Chemie/Pharmakologie

Bupropion ist ein Aminoketonderivat mit Amphetaminähnlicher Struktur. Es wird angenommen, seine Wirkung beruhe auf einer Hemmung der Wiederaufnahme von Neurotransmittern. Im Vergleich mit anderen Antidepressiva hat Bupropion in vitro eine verhältnismässig schwache Affinität zu den Transmitter-Wiederaufnahmepumpen. In vivo dürften aber die verschiedenen aktiven Metaboliten (siehe unten) ebenfalls eine Rolle spielen.(1) Bupropion hemmt in erster Linie die Wiederaufnahme von Noradrenalin und von Dopamin, jedoch kaum diejenige von Serotonin.

Pharmakokinetik

Als Antidepressivum wird Bupropion in der Schweiz in einer retardierten Form angeboten, die nur einmal täglich genommen werden muss (Wellbutrin® XR). (Die Zyban®-Tabletten sind anders retardiert und sollen zweimal täglich eingenommen werden.) Etwa 5 Stunden nach der Einnahme von Wellbutrin® XR-Tabletten werden maximale Plasmaspiegel erreicht. Die biologische Verfügbarkeit ist nicht bekannt, da keine intravenöse Form (zum Vergleich) zur Verfügung steht. Die Substanz wird in hohem Ausmass metabolisiert; es entstehen drei aktive Metaboliten (Hydroxybupropion, Threohydrobupropion und Erythrohydrobupropion). Für die Umwandlung in Hydroxybupropion ist hauptsächlich das Zytochrom-Isoenzym CYP2B6 verantwortlich; dieser Metabolit erreicht – etwa 7 Stunden nach der Einnahme des Medikamentes – eine maximale Plasmakonzentration, die siebenmal höher ist als diejenige von Bupropion selbst. Hydroxybupropion hat wahrscheinlich nur etwa 50% der pharmakologischen Aktivität der Muttersubstanz. Sowohl Bupropion als auch Hydroxybupropion haben eine Plasmahalbwertszeit von durchschnittlich etwa 20 Stunden. Die beiden anderen Metaboliten sind weniger aktiv als Hydroxybupropion, weisen jedoch eine längere Eliminationshalbwertzeit (um 35 Stunden) auf. Ein Fliessgleichgewicht der Plasmaspiegel von Bupropion und Metaboliten wird bei regelmässiger Verabreichung nach rund 8 Tagen erreicht. Ausgeschieden wird das Medikament zu rund 90% mit dem Urin und zu 10% mit dem Stuhl, davon sind nur Spuren unverändertes Bupropion.(2)

Bei Personen mit einer mittelschweren bis schweren Einschränkung der Leberfunktion ist mit einer vermehrten individuellen Variation der Kinetik und mit einer stärkeren Verzögerung der Bupropion-Elimination zu rechnen. Zum Einfluss einer reduzierten Nierenfunktion liegen keine Untersuchungen vor, jedoch ist bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz eine verzögerte Ausscheidung aktiver Metaboliten möglich.(2)

Klinische Studien

Obschon Bupropion in den USA schon am Ende der 1980-er Jahre als Antidepressivum zugelassen wurde, stehen nur wenig publizierte Resultate kontrollierter Studien zur Verfügung.

In frühen Studien wurde Bupropion in nicht-retardierter Form (100-mg-Tabletten) getestet. Bei 49 hospitalisierten Kranken mit einer Depression fand sich für das Medikament in Tagesdosen zwischen 300 und 600 mg eine signifikant bessere antidepressive Wirkung als für Placebo.(3) In dieser Studie erhielten nur 13 Personen Placebo. In einer weiteren Studie konnte nur für eine Tagesdosis von 450 mg (nicht aber mit 300 mg) eine signifikante Wirkung auf depressive Symptome gezeigt werden. Andere frühe, ebenfalls kleine Studien ergaben eine ähnliche antidepressive Wirksamkeit von Bupropion, Amitriptylin (Saroten®, Tryptizol®) und Doxepin (Sinquan®).

Mit Wellbutrin® SR, dem retardierten Bupropion-Präparat zur zweimal täglichen Verabreichung, das Zyban® entspricht, wurde eine längere Studie durchgeführt. Initial erhielten alle Teilnehmenden während 8 Wochen offen zweimal täglich 150 mg Bupropion. Diejenigen, die auf das Medikament ansprachen, erhielten anschliessend in einer Doppelblindstudie dieselbe Bupropion-Dosis oder Placebo. 423 Personen wurden in die 44 Wochen dauernde Doppelblindphase aufgenommen, aber nur 103 blieben bis am Schluss in der Studie. Unter Bupropion waren Rückfälle depressiver Symptome seltener als unter Placebo.(4)In einem achtwöchigen doppelblinden Vergleich mit Escitalopram (Cipralex®) und Placebo war Bupropion (in Form von Wellbutrin® XR) zwar ähnlich antidepressiv wirksam wie Escitalopram, jedoch dem Placebo nicht signifikant überlegen.(5) Von drei nicht-veröffentlichten Studien,(6-8) in denen Wellbutrin ® XR gegen Placebo bzw. gegen Venlafaxin (Efexor®) getestet wurde, ergaben ebenfalls zwei Studien keinen signifikanten Unterschied bezüglich antidepressiver Wirkung zwischen Bupropion und Placebo.

In einer anderen Studie wurde die Wirkung von Bupropion nicht anhand der üblichen Skalen, sondern in erster Linie mittels einer Selbsteinschätzung («Inventory of Depressive Symptomatology- Self Report», IDS-SR) beurteilt. Wellbutrin® XR in einer Tagesdosis von 300 bis 450 mg wurde mit Placebo verglichen; 59% der Teilnehmenden nahmen die Maximaldosis. Nach 8 Wochen hatte der IDS-SR-Wert von einem anfänglichen Durchschnittswert von 46 unter Bupropion auf 25 und unter Placebo statistisch signifikant weniger (auf 28) abgenommen.(9)

In den USA ist Bupropion auch zur Prophylaxe saisonaler Depressionen («seasonal affective disorder») zugelassen. In drei weitgehend identischen Doppelblindstudien erhielten Personen, die wiederholte Phasen einer saisonalen Depression gehabt hatten, zu Beginn der Studie aber nicht symptomatisch waren, über die Wintermonate (vom September bis im März) Wellbutrin® XR oder Placebo. Etwas mehr als die Hälfte der Beteiligten blieben bis im März in der Studie. Bezüglich der medianen Zeitspanne bis zum Beginn einer depressiven Episode (primärer Endpunkt in zwei Studien) ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen Bupropion und Placebo. Dagegen waren jeweils am Ende der Studie mehr Personen der Bupropiongruppe (im Vergleich mit der Placebogruppe) frei von depressiven Symptomen;(10) die entsprechende «number needed to treat» beträgt ungefähr 9.

Bei Personen, die trotz einer Behandlung mit Citalopram (Seropram® u.a.) depressiv blieben, wurde randomisiert untersucht, ob eine medikamentöse Zusatztherapie oder eine kognitive Therapie einen besseren Erfolg bringt. Als zusätzliche Medikamente wurde neben Sertralin (Zoloft® u.a.) und Venlafaxin auch Bupropion verwendet. Die Zusatzmedikamente ergaben vergleichbare Resultate wie die kognitive Therapie.(11)

Die sekundäre Analyse einer Placebo-kontrollierten Studie bei Raucherinnen und Rauchern, die wegen einer Herz- Kreislauferkrankung hospitalisiert gewesen waren, konnte nicht nachweisen, dass Depressive dank Bupropion (Zyban®) signifikant häufiger Nikotin-abstinent blieben.(12)

Unerwünschte Wirkungen

Das Nebenwirkungsspektrum von Bupropion unterscheidet sich recht deutlich von demjenigen der selektiven Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI). Bupropion verursacht sehr häufig Schlafstörungen (bei 20% der Behandelten, gemäss einzelnen Untersuchungen noch häufiger).(13) Sehr häufig sind auch Kopfschmerzen (bei mehr als 20%), Mundtrockenheit (bei etwa 15%), Brechreiz, Inappetenz und Gewichtsverlust von mehr als 2 kg (in einzelnen Studien bei mehr als 20%). Häufig werden auch Erregungs- und Angstzustände sowie Obstipation beobachtet. Weitere Probleme sind allergische Reaktionen (anaphylaktoid oder Spätreaktionen, z.B. Gelenksymptome), Blutdruckanstieg (vereinzelt ausgeprägt), Tinnitus, Schwindel, Sehstörungen, vereinzelt auch psychotische Reaktionen. In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass Bupropion die Sexualfunktion weniger beeinträchtigt als die SSRI; dabei ist allerdings zu beachten, dass sich Bupropion in diesen Studien bezüglich antidepressiver Wirkung nicht immer vom Placebo unterschied.(5)

Wie unter anderen Antidepressiva kann sich – besonders zu Beginn der Therapie – die Depression verschlimmern und es besteht dann eine erhöhte Suizidgefahr. Gemäss niederländischen Daten ist eine Depression unter Zyban® häufig von suizidalen Gedanken begleitet.(14) Relevant ist die gegenüber anderen Antidepressiva gehäufte Inzidenz von epileptischen Anfällen: bis zu einer Tagesdosis von 450 mg soll diese 0,1% betragen, unter höheren Dosen sind solche tonisch-klonische Anfälle schätzungsweise zehnmal häufiger.(2) Ein Fall von schwerer Hepatotoxizität mit Todesfolge ist beobachtet worden. Bei Vergiftungen stehen die neurologischen Folgen (Konvulsionen) und die kardiovaskulären Probleme im Vordergrund. Äusserste Vorsicht ist bei Personen mit einer Vorgeschichte von Epilepsie oder anderen von Konvulsionen begleiteten Erkrankungen, bei solchen mit eingeschränkter Leberfunktion und bei Verdacht auf eine bipolare Krankheit angezeigt.

Interaktionen

Um eine zu hohe Bupropion-Dosis zu vermeiden, ist unbedingt darauf zu achten, dass neben Wellbutrin® XR nicht auch noch Zyban® (oder allenfalls ein anderes, nur im Ausland erhältliches Bupropion-Präparat) eingenommen wird!

Da das Zytochrom CYP2B6 für die Umwandlung von Bupropion in Hydroxybupropion wichtig ist, kann dieser metabolische Schritt durch CYP2B6-Hemmer (einzelne SSRI, Ritonavir [Norvir®)(15) und -Induktoren (Modafinil [Modasomil®]) beeinflusst werden.

Bupropion und Hydroxybupropion hemmen das CYP2D6- Isoenzym und können so insbesondere zu erhöhten Plasmaspiegeln von verschiedenen Antidepressiva, Neuroleptika, Betablockern (z.B. Metoprolol [Beloc® u.a.]) und Antiarrhythmika wie Flecainid (Tambocor®) und Propafenon (Rytmonorm®) führen.

Medikamente, die wie Bupropion die Krampfschwelle senken (z.B. einzelne Neuroleptika, Theophyllin), erhöhen bei gleichzeitiger Verabreichung das Risiko eines Krampfanfalls unter Bupropion. Gleichzeitige Anwendung von Bupropion und Nikotin-Hautpflastern erhöht das Risiko kardiovaskulärer Komplikationen.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Bupropion (Wellbutrin® XR) ist als Retardtabletten zu 150 und zu 300 mg erhältlich. Das Medikament ist in der Schweiz limitiert kassenzulässig. Es wird empfohlen, täglich einmal 150 mg zu verabreichen; die Tabletten müssen ganz geschluckt werden. Damit zu hohe Plasmaspiegel vermieden werden, muss pharma-kritik, Jahrgang 29, Nr. 12/2007 Für den persönlichen Gebrauch - Kopieren nicht gestattet 47 der Abstand von 24 Stunden zwischen zwei Verabreichungen gut beachtet werden. Nach 4 Wochen kann die Dosis eventuell auf 300 mg verdoppelt werden, unter sorgfältiger Überwachung bezüglich unerwünschter Wirkungen. Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie schwangere und stillende Frauen sollen nicht mit Bupropion behandelt werden. Im «Arzneimittelkompendium der Schweiz» wird erwähnt, dass bei älteren Personen die Wirksamkeit nicht eindeutig gezeigt wurde. Bei eingeschränkter Leber- oder Nierenfunktion darf die Tagesdosis von 150 mg nicht überschritten werden.

Eine Wellbutrin® XR-Tablette zu 150 mg kostet CHF 1.91 und ist damit viel billiger als die nicht-kassenzulässige Zyban®- Tablette zu 150 mg (CHF 2.85). SSRI-Generika sind allerdings nochmals wesentlich kostengünstiger (eine 20-mg-Citalopram- Tablette ist für weniger als 1 Franken erhältlich).

Kommentar

Es fällt schwer, für Bupropion einen sinnvollen Platz in der Behandlung einer Depression zu sehen. Nicht nur steht der Nachweis der antidepressiven Wirksamkeit auf schwachen Füssen, sondern auch das erhebliche Nebenwirkungspotential beunruhigt. Als besonders problematisch muss wohl das gegenüber anderen Antidepressiva erhöhte Risiko von Konvulsionen und die hohe Inzidenz von Schlafstörungen bezeichnet werden. Dabei wirkt sich auch ungünstig aus, dass dasselbe Medikament unter zwei verschiedenen Namen (Wellbutrin® und Zyban®) verkauft wird, weil deshalb eine unbeabsichtigte Bupropion-Überdosierung durchaus denkbar ist.

Standpunkte und Meinungen

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Bupropion als Antidepressivum (18. Februar 2008)
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pharma-kritik, 29/No. 12
PK191
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