Coenzym-Q10
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 28
, Nummer 3, PK150
Redaktionsschluss: 30. September 2006
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2006.150 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Mini-Synopsis
Unter der Bezeichnung Lacto-Tab-Q10® werden neuerdings auch in der Schweiz verschiedene «Performance Drinks» angeboten, die unter anderem Coenzym-Q10 enthalten. Coenzym- Q10, auch als Ubidecarenon und Ubiquinon bekannt, ist ein Kofaktor, der am mitochondrialen Elektronentransport beteiligt ist.
Coenzym-Q10 hat antioxidative Eigenschaften. Der Mensch ist fähig, die Substanz selbst zu synthetisieren; die Nahrung enthält etwa 3 bis 5 mg Coenzym-Q10 pro Tag. Es stellt sich die Frage, ob es Personen gibt, die von Coenzym-Q10-Supplementen profitieren.
Übersichten zum Thema
Der unabhängige «Medical Letter» hat im Februar 2006 eine Übersicht zu Coenzym-Q10 veröffentlicht.(1) Ausserdem ist vor einigen Monaten eine weitere Übersichtsarbeit zu diesem Thema erschienen.(2)
Beide Übersichten kommen im Wesentlichen zu denselben Schlussfolgerungen: Es ist möglich, dass Coenzym-Q10 bei einigen Erkrankungen Wirksamkeit zukommt; überzeugend nachgewiesen ist dies jedoch bisher nicht.
Am vielversprechendsten erscheinen die Daten bei Parkinson’scher Krankheit. Personen mit einem frühen Stadium einer Parkinson-Krankheit wurden in einer Doppelblindstudie mit verschiedenen Coenzym-Q10-Dosen oder mit Placebo behandelt. Unter Verwendung der «Unified Parkinson Disease Rating Scale» liess sich für die höchste Dosierung (1200 mg pro Tag) innerhalb von 16 Monaten eine signifikant langsamere Symptomzunahme als unter Placebo errechnen. Die Gruppen waren allerdings klein und der Altersdurchschnitt lag in der Placebogruppe gut 3 Jahre höher. Levodopa wurde unter Placebo nicht früher als unter Coenzym-Q10 benötigt.(3)
Die Resultate einer kleinen Doppelblindstudie lassen auf eine Wirksamkeit von Coenzym-Q10 (300 mg/Tag) bei Migräne schliessen; dies ist aber bisher noch in keiner weiteren kontrollierten Studie bestätigt worden.
Bei Herzinsuffizienz sind mehrere kleine Studien durchgeführt worden. Einige davon lassen eine vorteilhafte Wirkung auf die Symptome und Spitalbedürftigkeit annehmen, andere konnten für Tagesdosen von 100 bis 200 mg bezüglich Auswurfrate, Arbeitsausdauer und Lebensqualität keine Vorteile gegenüber Placebo zeigen. Eine grössere Studie («Q-Symbio») mit 300 mg/Tag ist noch nicht abgeschlossen.
Gemäss einer Übersichtsarbeit senkt Coenzym-Q10 den Blutdruck um 16/10 mm Hg. Die Übersicht beruht aber teilweise auf Studien ohne Placebokontrolle.
Bei Diabetes beeinflusst Coenzym-Q10 gemäss zwei Studien die metabolische Kontrolle nicht; in einer anderen Studie fand sich unter Coenzym-Q10 (200 mg/Tag) eine leichte Senkung des glykosylierten Hämoglobins (HbA1c).
Bei mitochondrialen Enzephalomyopathien kann die Substanz möglicherweise zu einer symptomatischen Besserung führen.
Die Annahme, Coenzym-Q10 wirke der Kardiotoxizität von Anthrazyklinen wie Doxorubicin (Adriblastin® u.a.) und der muskulären Toxizität von Statinen entgegen, ist bisher nicht in grösseren Studien bestätigt worden.
Unerwünschte Wirkungen von Coenzym-Q10 sind nach bisherigen Untersuchungen selten. Leichte Magen-Darm- Beschwerden kommen vor. Eine Interaktion mit oralen Antikoagulantien ist vermutet, in einer kontrollierten Studie aber nicht bestätigt worden.
Kommentar
Es darf bezweifelt werden, dass die bisher vorhandenen Studien mit Coenzym-Q10 genügend Aussagekraft haben, um auf eine Wirksamkeit bei den propagierten Indikationen schliessen zu können. Wenn die Substanz in den Übersichten auch als «interessant» oder «vielversprechend» bezeichnet wird, so ist doch festzuhalten, dass bisher für keine Erkrankung genügend gute Daten vorliegen und ein Nutzen bei Gesunden als durchaus spekulativ bezeichnet werden muss. Coenzym-Q10 ist teuer; der offizielle Preis eines Fläschchens Lacto-Tab- Q10®, das 30 mg Coenzym-Q10 enthält, beträgt CHF 3.50.
Minidossier
In unserem Webdossier, das wir zum Thema zusammengestellt haben, finden sich Links zu zwei Volltexten sowie einige ergänzende Dokumente.
Literatur
- 1) Anon. Med Lett Drugs Ther 2006; 48: 19-20
- 2) Bonakdar RA, Guarneri E. Am Fam Physician 2005; 72: 1065-70
- 3) Shults CW et al. Arch Neurol 2002; 59: 1541-50
Standpunkte und Meinungen
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