Atypische Femurfrakturen nach Hüftprothesen-Implantation

  • Autor(en): Natalie Marty
  • pharma-kritik-Jahrgang 41 , PK1088, Online-Artikel
    Redaktionsschluss: 11. April 2020

Atypische Femurfrakturen nach Hüftprothesen-Implantation

Über atypische Femurfrakturen, die unter Bisphosphonaten auftreten, haben wir in dieser Zeitschrift erstmals 2008 berichtet (1). Diese Frakturen, in der subtrochantären Region oder im Schaftbereich, können auch spontan oder nach minimalem Trauma auftreten. Die Bisphosphonate hemmen die Osteoklasten-Aktivität und damit den Knochenabbau, was zu einer Erhöhung der Knochendichte führt. Der Knochenumbau führt jedoch auch zu einer Verminderung der sogenannten «fracture toughness» (Bruchzähigkeit) der Knochen.

Atypische Femurfrakturen treten häufig bilateral auf, weshalb es wichtig ist, bei betroffenen Personen immer auch den anderen Oberschenkel zu untersuchen. Die Frakturheilung ist verschlechtert und es wird empfohlen, einen Abbruch der Bisphosphonat-Behandlung in Betracht zu ziehen. Die «American Society for Bone and Mineral Research» hat Kriterien zur Definition von atypischen Femurfrakturen erarbeitet, darin sind aber periprothetische Frakturen explizit ausgeschlossen worden (2). Dieser Ausschluss wurde seither durch mehrere Publikationen in Frage gestellt, in denen über atypische Femurfrakturen im Zusammenhang mit Hüftprothesen berichtet wurde. Es wurde geschätzt, dass 7-11% aller periprothetischen Femurfrakturen atypische Frakturen seien.

Eine Forschungsgruppe aus Edinburgh hat kürzlich den Bericht über eine grössere Serie von periprothetischen atypischen Femurfrakturen publiziert (3). Zwischen 2007 und 2017 wurden in dieser Klinik 311 Fälle von unilateralen periprothetischen Femurfrakturen behandelt. Die Röntgenbilder wurden retrospektiv von zwei Fachleuten begutachtet und in 16 Fällen wurde festgestellt, dass die Kriterien für eine atypische Fraktur erfüllt seien (13 mit und 3 ohne Bisphosphonat-Therapie). 17 Personen mit einer typischen periprothetischen Fraktur unter Bisphosphonaten dienten als Vergleichsgruppe. 

Im Vergleich zu der Gruppe mit typischen Frakturen ergaben sich für diejenigen mit atypischen Frakturen folgende Unterschiede:
  • ein höheres Körpergewicht: mittlerer BMI 28,6 kg/m2 gegenüber 21,5 kg/m2
  • eine längerdauernde Bisphosphonat-Behandlung: median 5,5 Jahre gegenüber 2,4 Jahren
  • Behandlung mit einem anderen Bisphosphonat als mit Alendronsäure (Fosamax® u.a.): 94% gegenüber 50%.

Die Indikation war in der Kontrollgruppe in allen Fällen eine primäre Osteoporose, in der Gruppe mit atypischen Frakturen erfolgte die Bisphosphonat-Therapie bei 3 der 16 Personen wegen einer sekundären Osteoporose (Steroide, Metastasen, M. Paget). Die Dauer der Bisphosphonat-Therapie war ein unabhängiger Prädiktor für eine atypische Fraktur. In der Nachbehandlung waren Komplikationen bei atypischen Frakturen (nicht-signifikant) häufiger als bei den Kontrollen mit typischen Frakturen. Vier von 13 mit Bisphosphonaten behandelten Personen mit einer atypischen Fraktur mussten noch ein zweites Mal operiert werden.

Bei 10 der 16 Personen mit einer atypischen Fraktur fanden sich schon vorher radiologische Veränderungen an der Bruchstelle. Nur in 11 Fällen war nach der Fraktur der andere Oberschenkel radiologisch untersucht worden.

Die Studienverantwortlichen kommen zum Schluss, dass atypische Femurfrakturen im Zusammenhang mit Hüftprothesen tatsächlich vorkommen und nicht mehr aus der Definition der atypischen Femurfrakturen ausgeschlossen sein sollten. Die Behandlung könnte durch die Erkenntnis, dass es sich um eine atypische Fraktur handle, optimiert werden, unter anderem durch Abbruch der Bisphosphonat-Behandlung, Ernährungsumstellung und Bestimmung der Calcium- und Vitamin-D-Spiegel. Die vorliegenden Resultate einer kleinen retrospektiven Studie aus einer einzigen Klinik sollten jedoch durch eine prospektive Multizenterstudie überprüft werden.

Bei radiologischen Nachuntersuchungen sowie bei starken Schmerzen nach einer Hüftprothesen-Implantation sollte diese mögliche Differentialdiagnose nicht vergessen werden, besonders nach langdauernder Bisphosphonat-Behandlung. 

Standpunkte und Meinungen

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Atypische Femurfrakturen nach Hüftprothesen-Implantation (11. April 2020)
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pharma-kritik, 41/No. online
PK1088
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